Tritcililät mischen sich immer wieder solche von Gesühl und Sehnsucht getragenen
Erinnerungen, die vordrängen und Auslösung sordern. Vielleicht ist es diese gegen-
sätzliche Haltung, die momentcme Unmittelbarkeit des Augenblicks und das sich ver-
tiesende Nacherlebnis, daS des lyrischen Klanges nicht entbehrt, dieses gleichzeitige
innere Vor und Zurück, das in Gauguin den Jnstinkt sür das Primitive tveckte und
die seelische Haltung seiner Bilder bestimmte. Damit ist anch das Tragische seiner
Gestalt berührt, denn alle Leidenschast, mit der er als Eingeborener lebt und leben
rvill, überwindet diese „Ambivalenz" europäischer Einstellung nicht, die ihn die große
Einheit primitiven Lebens und Gestaltens wohl sehen, erleben, darstellen läßt und
ihm dennvch immer verbietet, selbst in dieser Einheit aufzugehen. Deshalb sind auch
seine Bilder die Bilder eines Europäers geblieben und seine an eingeborene Arbeit
angelehnten kunstgewerblichen Versuche gescheitert.
Schon nach zwei Jahren fährt er wieder nach Tahiti, später wandert er aus nach
einer Jnsel der Marquesas-Gruppe, wo er igoz stirbt. Die Bilder dieser letzten
Zeit greisen weiter ins Allgemeine, die Figuren werden größer, beinahe noch getra-
gener als srüher, der technische Vvrtrag spannt sich vollendet über die Leinwand, auS
der dle Farben wie aus einer Dämmerung leuchten, verschleierte Töne, die pastellhaft
ausblühen nnd verbinden. Am ergreisendsten ist wohl ein Bild „Verehrnng", einc
Maorifrau, die dem Kind die Brnst reicht, die in eine unbestimmte Weite blickt, ohne
zu sühlen, daß eine zweite Frau mit innigster Bewegung Blumen sast anbetend dar-
brmgt. Hier ist wirkliche Vollendung erreicht, zwingende Geschlossenheit und Rhyth-
mik der Komposition, die auf das Einsachste zurückgeführt ist, farbige Abklärung
rmd großer Auödruck.
Gauguin war nicht nur Maler, er hat auch ein beachtlich graphisches Werk in allen
Techniken geschassen, das zu Unrecht wenig bekannt ist. Seine Vitalität und viel-
seitige Geschicklichkeit suchte jedoch noch weitere Äußerung. Unter dem Eindruck cin-
geborener Arbeit schnitzte er sich die Psosten seiner Hütte, seine Trinkschale und seine
Geräte, wohl auch eine Figur, darin eine Linie seiner Begabnng fortsetzend, denn
schvn in seiner frühen Zeit entsteht immer wieder in Abständen eine Plastik, ge-
legentlich Keramik. Doch damals snchte er die Lösung einer künstlerischen Aufgabe,
jetzt will er mehr, denn er fertigt sich selbst seinen Gott, zu dem er abends betet,
einen eingeborenen Gott in der Art polynesischer Ahnenfiguren, denen er Gestalt und
Jnhalt entlehnte. Erkennt man darin daS Gute, so anerkennt man die Leidenschaft,
mit der er sich in das Leben der „sguvsges" verbiß, eine Nötigung, die ihn zwang,
selbst Kleidung und Religion anzunehmen. Andererseits empfindet man gerade vor
diesem Fetisch, daß dies eine Leidenschaft der Unfähigkeit war, etivas, das man in
menschlich-seelischev Bedeutung als kunstgewerblich bezeichnen möchte. Vielleicht
hängt es mit dieser inneren Haltung zusammen, daß seine späten Bilder von dekora-
tivem Formsehen bestimmt sind, daß die Farben stoffartigen Charakter gewinnen,
jene Leppichähnlichen Wirkungen entstehen, daß diese außerordentlichen Bilder im
besten Sinne oft kunstgewerblich überhaucht sind. Darin berührt sich Gauguin mit
fast allen seinen Zeitgenossen, mit dem Jugendstil, in dem daS Knnstgewerbe jedoch
dvmmierte und die Kunst zersetzte.
Bekannter als die Plastiken sind seine literarischen Arbeiken, die wir nur erwähnen:
„Noa-Noa" (— Tahiti) von i8gz, „Vorher und Nachher" von 1901, die Briefe
an seinen Freund Georges-Daniel de Monfreid, schließlich die erst kurz bekannten
Briefe an seine Frau, die zu lieben er nie cmfhörte; Bücher, in denen die künst-
lerische Überzeugung Gcmguins auch schriftlich firiert ist, die die ganze Abenteuerlich-
kei't selnes Lebens enthalten und doch nur Zeugnisse neben der Malerei dieses eigen-
artigen und bedeutenden Künstlers bleiben.
Die Basler Ausstellung, die erste große Gaugui'n-Ausstellung seit igc»6, war keine
Gesamtschau des Werkes, ein ünternehmen, das technisch unmöglich wäre; sie war
25.2
Erinnerungen, die vordrängen und Auslösung sordern. Vielleicht ist es diese gegen-
sätzliche Haltung, die momentcme Unmittelbarkeit des Augenblicks und das sich ver-
tiesende Nacherlebnis, daS des lyrischen Klanges nicht entbehrt, dieses gleichzeitige
innere Vor und Zurück, das in Gauguin den Jnstinkt sür das Primitive tveckte und
die seelische Haltung seiner Bilder bestimmte. Damit ist anch das Tragische seiner
Gestalt berührt, denn alle Leidenschast, mit der er als Eingeborener lebt und leben
rvill, überwindet diese „Ambivalenz" europäischer Einstellung nicht, die ihn die große
Einheit primitiven Lebens und Gestaltens wohl sehen, erleben, darstellen läßt und
ihm dennvch immer verbietet, selbst in dieser Einheit aufzugehen. Deshalb sind auch
seine Bilder die Bilder eines Europäers geblieben und seine an eingeborene Arbeit
angelehnten kunstgewerblichen Versuche gescheitert.
Schon nach zwei Jahren fährt er wieder nach Tahiti, später wandert er aus nach
einer Jnsel der Marquesas-Gruppe, wo er igoz stirbt. Die Bilder dieser letzten
Zeit greisen weiter ins Allgemeine, die Figuren werden größer, beinahe noch getra-
gener als srüher, der technische Vvrtrag spannt sich vollendet über die Leinwand, auS
der dle Farben wie aus einer Dämmerung leuchten, verschleierte Töne, die pastellhaft
ausblühen nnd verbinden. Am ergreisendsten ist wohl ein Bild „Verehrnng", einc
Maorifrau, die dem Kind die Brnst reicht, die in eine unbestimmte Weite blickt, ohne
zu sühlen, daß eine zweite Frau mit innigster Bewegung Blumen sast anbetend dar-
brmgt. Hier ist wirkliche Vollendung erreicht, zwingende Geschlossenheit und Rhyth-
mik der Komposition, die auf das Einsachste zurückgeführt ist, farbige Abklärung
rmd großer Auödruck.
Gauguin war nicht nur Maler, er hat auch ein beachtlich graphisches Werk in allen
Techniken geschassen, das zu Unrecht wenig bekannt ist. Seine Vitalität und viel-
seitige Geschicklichkeit suchte jedoch noch weitere Äußerung. Unter dem Eindruck cin-
geborener Arbeit schnitzte er sich die Psosten seiner Hütte, seine Trinkschale und seine
Geräte, wohl auch eine Figur, darin eine Linie seiner Begabnng fortsetzend, denn
schvn in seiner frühen Zeit entsteht immer wieder in Abständen eine Plastik, ge-
legentlich Keramik. Doch damals snchte er die Lösung einer künstlerischen Aufgabe,
jetzt will er mehr, denn er fertigt sich selbst seinen Gott, zu dem er abends betet,
einen eingeborenen Gott in der Art polynesischer Ahnenfiguren, denen er Gestalt und
Jnhalt entlehnte. Erkennt man darin daS Gute, so anerkennt man die Leidenschaft,
mit der er sich in das Leben der „sguvsges" verbiß, eine Nötigung, die ihn zwang,
selbst Kleidung und Religion anzunehmen. Andererseits empfindet man gerade vor
diesem Fetisch, daß dies eine Leidenschaft der Unfähigkeit war, etivas, das man in
menschlich-seelischev Bedeutung als kunstgewerblich bezeichnen möchte. Vielleicht
hängt es mit dieser inneren Haltung zusammen, daß seine späten Bilder von dekora-
tivem Formsehen bestimmt sind, daß die Farben stoffartigen Charakter gewinnen,
jene Leppichähnlichen Wirkungen entstehen, daß diese außerordentlichen Bilder im
besten Sinne oft kunstgewerblich überhaucht sind. Darin berührt sich Gauguin mit
fast allen seinen Zeitgenossen, mit dem Jugendstil, in dem daS Knnstgewerbe jedoch
dvmmierte und die Kunst zersetzte.
Bekannter als die Plastiken sind seine literarischen Arbeiken, die wir nur erwähnen:
„Noa-Noa" (— Tahiti) von i8gz, „Vorher und Nachher" von 1901, die Briefe
an seinen Freund Georges-Daniel de Monfreid, schließlich die erst kurz bekannten
Briefe an seine Frau, die zu lieben er nie cmfhörte; Bücher, in denen die künst-
lerische Überzeugung Gcmguins auch schriftlich firiert ist, die die ganze Abenteuerlich-
kei't selnes Lebens enthalten und doch nur Zeugnisse neben der Malerei dieses eigen-
artigen und bedeutenden Künstlers bleiben.
Die Basler Ausstellung, die erste große Gaugui'n-Ausstellung seit igc»6, war keine
Gesamtschau des Werkes, ein ünternehmen, das technisch unmöglich wäre; sie war
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