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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,1.1928-1929

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Heft 4 (Januarheft 1929)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8885#0335

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und öie versorgte Frau im Bordergrund.
Das Bange und Stille einer solchen Si-
tuation, das Allsein deS Kranken und
Pflegers, aber auch ihre telepathische Be-
ziehung ist überaus eindringlich verleben-
digt. Und dieses Geistige, Fluidummäßige
spürbar zu machen, ist die große Kunst
dieses bescheidenen Blatteö und seines zu-
rückgezogenen Meisters — das edle Er-
gebnis einer Weltferne, die dadurch der
Seele der Dinge und Ereignisse desto
näher kommt.

Dem recht interessanten Buch von Eugen
Kalkschmidt „Deutsche Freiheit und
dcutscher Witz", ein Kapitel RevolutionS-
satire aus der Zeit von lözo—(Han-
seatische VerlagSanstalt), entnahmen toir
die in den Text verstreuten Bilder. Sie
sinö ungemein charakteristisch sür den
künstleristhen Geist jener Zeit, sür ihre
Art von Humor und Satire, und bilden,
außer ihrer Bedeutung sür den allseitig
anregenden Text, der eine Fülle der
verschiedensten Beziehungen zu erschließen
verstanden, unter dem besonderen Gesichts-
punkt der Schtoarzweißkunst, eine köst-
liche Gabe. Dem politisch Eingestellten
vfsnet sich hier eine wahre Fundgrube
von Einzelheiten, die das Bild jener Zeit
sarbig und lebendig machen. Schade nur,
daß die Namen der Künstler vielsach
fehlen. Gewiß war es nicht leicht, den
Urheber jeweils ohne große Mühseligkeit
festzustellen, von manchen überhaupt
nicht; andere aber, wie z. B. di'e den
Fliegenden Blättern entnommenen, wa-
ren schvn an ihren Stileigentümlichkei-
ten erkennbar. Stünde mir mehr Zeit
zur Bersügung, würde es mich reizen,
dies nachzuholen.

Der „Paragraph" wirkt wie Holz-
schnittkunst von Markus Behmer; er hat
etwaS unheimlich Düsteres, sast Bedrvh-
liches in seiner schwankcnden Wackelig-
keit. Der vorgebeugte Kopf und das
Zurückrutschende des schiesen Hutes, das
laternenhaste Ausleuchten des Auges, der
fast wie Durchbohrung wirkendc Degen
geben diesem menschlichen Seepserdchen
eine ironisch-dämonische Note — die bra-
ven Biedermeier konnten doch recht hin-
tergründige Leute sein! „Feder und Zen-
surstift tanzen ein Menuett" liegt auch in
der Richtung des Koboldhaften. Dieses
eisernc Jnsekt ist wahrhast unheimlich,
und man versteht, wie sich in der Feder
alies sträubt, daß der Schatten hinter ihr
sich ousbäumt wie ein Schrei.

„D er Teusel und die Katz" von
M. v. Schwind gehört wohl zu dessen be-
rühmten Blättern. Wie anmutig und lau-
nig Teufel und Katz unter dem Sonnen-
schirm, von köstlicher Groteske, wie der
Teusel den Katzenschwanz striegelt, wäh-
rend das arme Tier rassiniert wehrloS, wie
in einen Schraubstock gespannt erscheint,
lustig der Abtransport in die Hölle. Hier

Einer, der nur friedliche
und gesetzlilhe Mittel will
(„Eulenspjegel", Stuttgart)

zeigt sich Schwinds bewegte Linienkunst
amüsant und geschickt zugleich. Mehr in
der Jdee als in der Durchsührung wirk-
sam ist „D i e S en ten z". Aus der
alten Perücke wird ein wolliges nnd
wohliges Katzennest. Ein ausgezeichne-
tcs, höchst treffendes Zeitbild gibt „W i e
der deutsche Michel Geogra-
phie studiert". Der verprügelte
Junge, der zu allem bereit ist, was
Frechheit und Grobheit von ihm ver-
langen, kommt in seiner bäuerlichen
Tölpelnatur erschütternd zur Anschauung,
wie daS brutale Maul deö widerlichen,
arroganten Franzosen und die halbzivili-
sierte Vornehmheit deS knutigen Russen.
Allzu begreislich in einer Zeit, da es nur
allzu viele gab wie den, „der nur

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