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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,1.1928-1929

DOI Heft:
Heft 6 (Märzheft 1929)
DOI Artikel:
Michel, Ernst: Volksbildung als "Bildung zum Volk"
DOI Artikel:
Schenker, Heinrich: Eine Rettung der klassischen Musik-Texte: das Archiv für Photogramme in der National-Bibliothek, Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.8885#0432

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dacht werdc (slatt dcr populären Änrcllnahinc an cincr unübcrschbacen, spezial
gewordenen Wissenschaftlichkeit); daß wirklich Geformtes empfunden werde;
daß die religiöse Frage überhaupt ernstgenommen wcrde; daß dic Gemeinschaft
überhaupt erfahrcn uud freitätiger Gehorsam gcgen sie in Freudigkeit geübt
werdc, usw. Solche B-'ldungsarbeit entfremdct auch nicht die Menfchen ihrcni
cigencn Lagcr (bcm protestanti'fchen, dem katholifchen Glaubcn, dem Sozialio.
mus usw.), im Gegcnteil, sie dienk auch di'escm, indem sie den Teilnehmer in
eineni höhercn Sinnc nun erst voll bildsam macht für die echten Formkräfte
jener Mächte. 2lls N o t st a n d s b i l d u n g will sie nicht fchon selbst im
politischen Sinne Zcllen des Volkcs formieren, sondern die volkhafteu
Kräftc entbinden und der Volkwcrdung dcn Weg bereiten.

Eine Rettung der klassischen Musik-Texte:

Das Archiv für Phorogrammc in der N'atioual-Bibliothek, Wien
(W idmung Anthony van Hoboken)
besprochen von

Heinrich Scheukcr, Wien

kuch der Musik war, wie allen Gedankeu und Betätigungen der Menfcheu,
"^-ein organifches Wachstum befchiedeu. Sie konnte nicht für imrner
beim 2lnfang stehenblciben, bei Volkstanz und Volkslied, obglcich fchon diesc
ersten Keime dem Volke sicher zur Geuüge boten, was es an Kunst be-
durfte. So vicl Mußc, so viel Musik: dcn breiten Massen maugclte es, von
andcrem nicht zu sprcchen, fchon an Mrißc, um die Musik über das Bolkslied
hinauszuführcn, cmpor zu jenen erhabencn Kunstmöglichkeiten, die sie, wie der
Lauf ihrer Entwickelung dartat, in sich barg. Wir wissen deun auch aus der
Gefchichte, daß die Musik zur Kunst sich crst zu enkwickeln begann, als dic
mehr nüt Mußc Bcgnadeken sich ihrer aunahmcn. Bei ausrcichendem SchuHe
gedieh dann allmählich die Kunst der Musik in den Leistungen dcr Genics so
hoch, daß, zeitgemäß gesprochen, eine Überfchreitung des von ihncn erzielten
Rekordes nicht crhofft wcrden darf.

Es bleibt das Verdienst und der Skolz des dcutfchen Volkes, daß gerade aus
ihm hervorgegangene Genies dic Kunst der Musik auf jene höchste Stufe gc-
bracht haben. Diesc Höhe nun aber zu verlcugnen, nur wcil sie dem Volke
unzugänglich gcblieben, wäre widersinm'g. NaturgeseH hier wie dort: Das
Volk konnte nicht anders als es konnte, die Genies mußten wie sie mußten.

Jn der mcnfchlichcn Sprache lassen sich bei zunehmender Kultur zwei 2lrten
unterfcheiden: die eine und erste ist dic sogenannte Muttersprache, die den Be-
dürfnissen des Tages und den allgemeinen Negungeu der Seele dient, die
andere ist die sogenannte Schriftsprache, gleichsam eine Vatcrsprache, die über
die Grenzen der Muttcrsprache hinaus ncuen Begriffen und Vorstellungen,
wic auch den seltcnsten Ncgungen der Seele immcr neue Worte uud Bildnngen
gcwinnt. Soweit es nur nicht gerade um solche ncuen Begriffe uud Worke
geht, haben Mutter- und Vatersprache im übrigen dcn gleichen Zugang znr
Umwelt, und selbft Dialekt und mangelhafte Rechtfchreibung hebcn die gemein-
same Vcrständigung ni'cht auf: wie immer ausgesprochen und ansgefchrieben, bc-
 
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