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Kunstwart und Kulturwart — 27,3.1914

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Heft 13 (1. Aprilheft 1914)
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Bonus, Arthur: Vaterlandsliebe und Weltsprache
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https://doi.org/10.11588/diglit.14289#0020

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wir, wenn nur erst das wissenschaftlich Faßbare, das Stoffliche, die wirk«
lich ausgedrückten Vorstellungen in deutscher Sprache vorlägen. Goethe
hat meines Wissens nicht indisch und persisch gelernt, bevor er seinen
westöstlichen Diwan dichtete, und Rückerts Schiking hätte kaurn verloren,
wenn er statt einer unzulänglichen lateinischen Äbersetzung eine wissen»
schaftlich genaue deutsche Prosaübersetzung hätte benutzen können. Es
ist leider gar nicht sehr häufig, daß Dichter und Sprachkenner in einer,
Person zusammentreffen, — wie man das allerdings gerade von Rückert
sonst sagen darf.

Es ist zu fürchten, daß gewisse patriotische Gefühle versuchen werden,
sich gegen die Idee einer solchen Mademie für Weltliteratur geltend zu
machen.

Wir wollen nun patriotische Gefühle sehr ernst nehmen. Eben deshalb
möchten wir sie eines ernsthaften Nachdenkens für wert erklären. P)ir
wollen zu zeigen versuchen, daß die Goethesche Forderung gerade aus dem
Gedankengang des besonderen deutschen Patriotismus herausgewachsen ist.

In der Tat: der deutsche Patriotismus ist andrer Art als etwa der
französische. Als Lessing vor anderthalb Iahrhunderten seinen -Be--
freiungskampf gegen die französischen Vorbilder führte, blieb er Welt»
bürger. Und als tzerder mit genialerem Blick die Eigenart des deutschen
Geistes aus seiner Volksliteratur zu erkennen unternahm und auch Goethe
dafür gewann, im Llsaß für ihn Volkslieder zu sammeln, da umfing er
mit der gleichen Andacht und Freude die Eigenart der andern Völker.
Eben darauf begründete er den deutschen Nationalismus. Einerseits,
daß wirkliche und echte Eigenart vorliege, welche sich zu pflegen lohne,
und anderseits, daß man fremde kennen lerne, um die eigne überhaupt zu
sehen. Ia er, der Entdecker der deutschen Eigenart, der Erwecker der
deutschen Vergangenheit, ward zugleich der Lehrer der tzumanitas und der
Philosoph der Geschichte der Menschheit. Mit dem Nationalstolz lehrte
er die Nationalbescheidenheit: „Ieder liebt sein Land, seine Sitten, seine
Sprache, sein Weib, seine Kinder, nicht weil sie die besten auf der Welt,
sondern weil sie die bewährten Seinigen sind, und er in ihnen sich und
seine Mühe selbst liebt." Er verwarf das Chinesentum, weil es nie habe
von andern lernen wollen und dadurch erstarrt sei: „Ein Winkelvolk auf
der Erde . . . am Rande der Welt . . . wie eine Trümmer der Vorzeit".*
Er hatte den Ehrgeiz für die Gesamtwelt zu wirken. Und Fichte, der
deutscheste aller deutschen Patrioten, wagte das Wort: „Nur der Deutsche ...
kann im Zwecke für seine Nation die gesamte Menschheit umfassen, da»
gegen . . . jeder andern Nation Patriotismus selbstisch, engherzig und
feindselig gegen das übrige Menschengeschlecht ausfallen muß."

Er definierte freilich als deutsch das: „was an Geistigkeit und Freiheit
dieser Geistigkeit glaubt und die ewige Fortbildung dieser Geistigkeit
will" und als undeutsch und fremd das: „was an Stillstand, Rückgang ünd
Zirkeltanz glaubt oder gar eine tote Natur an das Ruder der Welt-
regierung setzt".^

tzier scheint mir der echte deutsche Patriotismus zu sprechen. Der

* Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (Fr. v. d.

Leyens Auswahl, Eugen Diederichs Verlag in Iena, Erzieher zu deutscher
Vildung, Band S. (99). ** In Max Rieß' Auswahl aus Fichte (Eugen
Diederichs Verlag in Jena, Erzieher zu deutscher Bildung, Band 3, S. 206 ff. 2(3).

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