Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 27,3.1914

DOI issue:
Heft 14 (2. Aprilheft 1914)
DOI article:
Niebergall, Friedrich: Die Reform des Religionsunterrichts, [1]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14289#0117

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Reform des Neligionsmtterrichts

tzM^wei Tatsachen sollen unsern Ausgangspunkt bilden. Linrnal sei es die
^-^weitverbreitete Klage über den Religionsunterricht, die die Klage über
^Idie schlechten Predigten weit übertrifft. Ls gibt nicht viel Leute,
die sich ihres Religionsunterrichtes gern entsinnen, zumal nicht unter
denen, die höhere Schulen besucht haben. Ist für die Predigt immer nur
der eine Mann, der sie hält, verantwortlich, so für den Religionsunterricht
anch die Behörde, die ihn geben läßt. Daß diese so oft durch ihre Vor«
schriften und ihre Revisionen den Lehrern dieses Kernstück ihrer Arbeit
verleidet und diese wiederum den Kindern die Religion verleiden, das
ist ein Schaden, den bewußt so leicht niemand verantworten kann. Und
dann das zweite: offenbar leben wir wieder in einer Zeit, die religiöser
Kräfte bedarf, das bedeutet, um keine Redensart zu gebrauchen, die dem
Leben mit allem, was es an niederdrückenden Dingen bringt, überlegen
werden will mit Hilfe von höheren geistigen Kräften. Wie groß ist der
Schade, wenn das zukünftige Geschlecht nicht in seiner Iugend mit Freude
an den großen ewigen Dingen ausgerüstet wird, um mit ihnen in die
tiefer und ernster werdende Zeit hineinzugehn und sein eignes Leben zu
bewältigen!

Zeigt sich unsere Zeit sicher einmal daran dem zukünftigen Geschicht-
schreiber als eine Abergangszeit, daß sich überall Reformbestrebungen
geltend machen, so gilt das auch vom Religionsunterricht. Wenn man
weiß, wie sich in der Religion der tiefste Geist einer Zeit zum Ausdruck
bringt und wie er auch alle ihre Regungen durchwaltet, dann versteht man
die heilige Begeisterung und die unermüdliche Arbeit derer, die den Re»
ligionsunterricht nach Inhalt und Form einer gründlichen Besserung unter-
ziehen wollen, um es dem heranwachsenden Geschlecht leichter zu machen,
religiös zu werden und zu bleiben. Dabei liegt unsre Hoffnung darin:
Die gegenwärtige Gleichgültigkeit gegen die Religion ist gewiß auch durch
jene schlechte religiöse Anterweisung mit verschuldet, mögen an ihr auch
noch so viele in der Menschennatur und in allgemeinen Zeitverhältnissen
liegende Einflüsse teilhaben. Eben darum kann man hoffen, durch eine
bessere religiöse Erziehung langsam wieder den Grund für eine Wandlung
zu legen. Denn wir dürfen den Einfluß einer viele Stunden im Iahre
umfassenden, immer noch allgemein herrschenden Einwirkung, wie sie der
Religionsunterricht der Kirche und der Schule darstellt, weder im Bösen
noch im Guten zu gering veranschlagen.

Zuerst müssen wir uns das Abel selbst und seine Gründe möglichst
klarzumachen suchen. Dürfen wir dabei von dem Recht des Reformers,
die Dinge möglichst schwarz zu malen, Gebrauch machen? Wir wollen
niemals verschweigen, wieviel innerer Gewinn und Lebenshalt aus der
alten Religionsstunde hervorgewachsen ist. Denn wovon lebt außer von
elterlichen Einflüssen, was noch fromm ist in unserm Geschlecht? In
solchen Fällen war entweder die ganze Art der Unterweisung noch einer
ältern Zeit angepaßt oder der Mann, der sie leitete, war besser als seine
Methode. Da aus dem zweiten Fall manche äußere Reibung und manches
innere Anbehagen entspringt, wird es unsre Aufgabe sein, einer Art des
Religionsunterrichtes zum Durchbruch zu verhelfen, die den Lehrer der

86
 
Annotationen