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Kunstwart und Kulturwart — 27,3.1914

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Heft 15 (1. Maiheft 1915)
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Avenarius, Ferdinand: Zu Heyses Tod
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14289#0211

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das auf die Heysesche Schwäche so vorsichtig wie zutreffend. Aber die-
jenigen Gedichte tzeyses, die unmittelbar aus Erlebtem kommen, die gaben
mehr. Besonders unter den Versen auf den Tod seiner Kinder sind
Worte, die vom Trauernden zum Trauernden noch lange Iahre weiter-
hallen werden.

And schließlich: wenn wir auch ganz gewiß in tzeyses leichter Erzähl-
kunst nicht das tzöchste sehen und der Zeit dafür danken wollen, daß sie
die Aberschätzung dieses „Griechentums" beiseite und damit ernsteren Auf-
gaben den Platz frei räumte: auch seine Art zu spielen hat im Ganzen
der Literatur ihr Daseinsrecht, sobald sie als nichts anderes mehr bewertet
wird, als eben eine Art ätzhetischen Spiels zu geschmackvoller Erholung.
Kennen wir nicht aus allen Kunstzeiten her solches Weben der Kunst,
das nur auf die heitere und anmutige Bewegung der Fäden geht, wie
das Schlingen und Sichlösen, das Markieren und Charakterisieren im
Reigen- und im Kontretanz? Ahnlichen Geist scheinen mir sür unser
Gesühl die meisten tzeyseschen Erzählungen zu vermitteln, nur daß sie
ihre liebenswürdigen Reize in weit größeren geistigen tzöhen entfalten.
Eine Zeit, die weniger als die unsrige fragt: ist so das Leben?, die fragt:
kann man auch einmal aus dem Leben schön bewegte Ornamente heraus-
ziehen, wie aus Blatt und Blumen, Wolkengetürm und Puttengeschwirr,
eine Gesellschaft, die bei solchem Tun nicht der Wahrheit der Dinge genießen
will, sondern der Bewegeranmut im Menschen selbst — ich glaube, sie
wird auch des Erzählers tzeyse wieder williger genießen als wir.

tzeyse der Dichter ist im Kunstwart oft „besprochen" worden. Wollten
wir das heute abermals tun, wir dürften auch an dem Theaterdichter tzeyse
nicht vorübergehn. Aber wir wollten das ja nicht. Der letzte „Münchner",
der meistgefeierte Genosse der Geibel, Lingg, Grosse ist nun von uns ge-
gangen. Im fünfundachtzigsten Lebensjahr, ausgelebt, wie sich ein Men-
schenleben nur ausleben kann. An den Gedanken des Abschieds waren
wir längst gewöhnt. Wir sinnen ruhig dem inneren Bilde nach, das als
ein Schatten aus tausend Erinnerungen aus all den Gaben dieses Reichen
in uns geblieben ist. And... ja, ich glaube: dann greifen wir zu seinen Ge-
dichten. Wenn wir bei denen verweilen, wird die Totenfeier zur Feier
an Lebendigem. A

Lose BlLtter

Heyse über Heyse

in seinen Versen

sDie folgende kleine Auslese aus tzeyses Gedichten hat nicht den tzaupt-
zweck, tzeysen als Lyriker zu schildern, sondern als Menschen. Als wenn
wir uns vor seiner Reise ins unbekannte Land noch einmal mit ihm zu-
sammensetzten, ihn ins Plaudern brächten, ihm nunmehr fein stille zu-
hörten und uns ein Bild davon machten, wie's in ihm aussah und wie
er Kunst und Welt sah. Wenn er uns dann fern ist, das Bild soll uns
bleiben.

Heyses Gedichtbände sind bei Cotta erschienen.^j

G
 
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