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Kunstwart und Kulturwart — 27,3.1914

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Heft 13 (1. Aprilheft 1914)
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Liebscher, Artur: August Halm in seinen Kompositionen
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Halm, August Otto: Beethovens "Szene am Bach"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14289#0030

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Leere gerufenl Man mag unsrer zeitgenössischen Musik Männer von
dem künstlerischen Ernst eines Bach, von der genialen Begabung eines
Mozart wünschen, ihre Ausdrucksweise wieder herbeisehnen zu wollen,
muß vergebliches Bemühen bleiben. Die Ausdrucksweisen Bachs oder
Mozarts sind Erzeugnisse ihrer Zeit, von vielen mit ihnen gebraucht und
mit ihnen gemeinschaftlich zu Grabe getragen. Die Klassiker kamen, die
Romantiker, Wagner, die Iungdeutschen. Alle hatten und haben ihre
eigne Ausdrucksweise, diejenige, in der sie ihr persönliches Empfinden
musikalisch am vollkommensten fassen konnten. Darum kann es unter
Amständen lehrreich und erfreuend sein, zu beobachten, wie geistreich ein
moderner Komponist sich der Sprache einer vergangenen Epoche zu be«
dienen vermag, wenn er vorübergehend einmal ein Werk iu stilo antieo
schreibt, aber künstlerisch bleibt das ein Experiment. Eine Fuge im Bach«
schen Stil, das heißt unter Anwendung - des Bachschen Satzes, der Bach-
schen Harmonik und Melodik, bleibt immer ein Anachronismus. Der
bedeutendste und fortschrittlichste Musiker der Gegenwart mag sie schreiben,
sie wird niemals als Gegenwartsmusik wirken, weil wir nicht unsere Sprache,
sondern die einer vergangenen Zeit hören. Von diesem Standpunkte aus
erscheint mir das Grundsätzliche der Halmschen Kompositionsweise als
Irrtum. Schwieriger als in den Werken manches anderen den Weg ins
Freie suchenden Talentes findet man in den seinen den Klang rein
spontanen Schaffens. Der starke Anteil des reflektierenden Verstandes
bestimmt ihren Charakter. Man muß zuerst erkannt haben, wie bewußt
die äußere Gestalt dieser Musik geformt, wie absichtlich die besondere Aus--
drucksweise gewählt ist, um durch diese Willkürlichkeiten hindurch den
Weg zum Musiker Halm zu finden. Artur Liebscher

Als Grundlage für vorstehenden Aufsatz dienten folgende von der Ge-
sellschaft zur Veröffentlichung der Werke A. tzalms bei G. A. Zumsteeg,
Stuttgart, herausgegebenen Kompositionen: 3 tzefte Präludien, Fugen,
Bagatellen usw. zu zwei tzänden, ein tzeft Fugen zu vier tzänden (Preis
eines jeden tzeftes zwischen 2,50 M. und 3,50 M.), Symphonie in D-moll
für Streichorchester (Part. 3,50 M.), Symphonie in F-dur für großes
Orchester (Part. (5 M.) und Konzert für großes Orchester mit obligatem
Klavier (Part. 35 M.). A. L.

Beethovens „Szene am Bach"

^m^ie Pastoralsymphonie wird Beethoven im allgemeinen nicht als künst-
I lerische Großtat angerechnet; insbesondere pflegt die Stelle mit dem
Terzett der Vogelstimmen einer Mischung von gütigem Verzerhen und
onkelhaftem Wohlwollen zu begegnen. Wenige freilich finden gerade sie
sogar ergreifend; in diesem Sinne möchte ich von ihr sprechen und diesen
ihren Eindruck begründen.

Die Frage: was geht hier vor? kann, wie sich bei Beethoven versteht
oder verstehen sollte, nicht beantwortet werden ohne die andere: was geht
vorher? Oft freilich beantwortet man die erste Frage für sich damit,
daß hier eben (wie sollte es anders sein?) die in der ParLitur ange-
zeigten Vogelrufe der Bachtigall, der Wachtel, des Kuckucks durch In-
strumente nachgeahmt werden, und man läßt sich dazu herab, das kleine
harmlose Späßchen von Beethoven hinzunehmen, der ja auch wohl mal
äußerlich wirken durfte. Naturschilderung sieht man ja ohnehin in dieser
 
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