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Kunstwart und Kulturwart — 27,3.1914

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Heft 15 (1. Maiheft 1915)
DOI article:
Michel, Wilhelm: Licht und Dunkel im Wohnraum
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Niebergall, Friedrich: Die Reform des Religionsunterrichts, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14289#0198

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„Tonigkeit". Also bringt die Lichtüberschwemmung auch auf dem Gebiete
der Farbe eine Verarmung und Vernüchterung hervor. Reiche, pompöse
Wirkungen dürfen unter ihrer Herrschaft kaum mehr angestrebt werden.

Alles dies gibt zu denken, gibt zu bedenken, ob nicht auch hier im
Guten etwas zu weit gegangen wurde, ob es nicht Zeit ist, im Innenraum
wieder mehr die eigentliche menschliche Ein« und Abgeschlossenheitsstimmung
zu pflegen, die der Geltendmachung und dem Heimgefühl des Bewohners so
günstig ist und die infolge ihrer Lichtkargheit auch den Formen-- und Farbew-
reichtum der Wohnungen günstig beeinflussen müßte. Wilhelm Michel

Die Reform des Religionsunterrichts

(Schluß)

2

ier kann es sich natürlich nur darum handeln, diese drei Entwicklungs-

gänge im Amriß und in ideellen Stufen zu kennzeichnen. Ihre Linien
^/treffen zusammen, wo es sich um den Gegensatz gegen den dogmatisch-
kirchlichen Katechismus-Lernunterricht handelt; denn alle drei gehen aus
der Enge in die Weite, aus dem Zwang in di^ Freiheit, vom Buchstaben
zum Geist, vom Buch zur Seele, vom Dogma zu dem, was in Geschichte
und Natur gegeben ist.

Die theologische Lntwicklung richtet sich gegen das Dogmatische
im Katechismus, soweit es eng und gedanklich ist. Den Gedanken über
Gott, Christus, Sündenfall und Erlösung, tzimmel und tzölle treten die
geschichtlichen Persönlichkeiten aus der Bibel gegenüber. In ihnen ist etwas
gegeben, was unmittelbar zu unsrer Wirklichkeit gehört. Mcht die Welt
Gottes an sich, sondern Gott und seine Welt, wie sie von religiösen Ge-
stalten erlebt worden ist, bildet den Gegenstand der theologischen Erkenntnis.
Dazu trägt die Kritik bei, die diesen Gestalten das Wundergewand ab-
streift; in diesem hatte die frühere Auffassung das Wesen dieser Gestalten
gesehen, während es die Kritik nur als ein Sinnbild ihres Wesens
gelten läßt. An die Stelle der einheitlichen Fläche der als Lehrautorität
angesehenen Bibel tritt nun der geschichtliche Aufstieg der biblischen Re-
ligion, wie er sich in den Gestalten von Moses bis Iohannes vollzieht.
— Zugleich erweitert sich das Feld der Betrachtung: außer dem Alten
Testament treten die übrigen Religionen in den Gesichtskreis. Das enge
Feld der alleingültigen biblischen Offenbarung verwandelt sich in das welt-
weite Gebiet der Religionen, das nicht bloß aus Offenbarungen Gottes,
sondern vor allem auf feine Zusammenhänge und Entwicklungen, auf seine
typischen Formen und Gesetze abgesucht wird. — Mit diesem Sinn für
das Gegebene analysiert man die Religionen auch psychologisch; ihre
geschichtliche Entstehung samt ihrem Werden und Wesen in jedem reli-
giösen Menschen bildet den Gegenstand der Forschung. Statt in die
tzöhen der Spekulation zu fliegen, steigt man in die Tiefe der Seele. Dabei
findet man, was die tzauptsache in der Religion, besonders in der christ-
lichen ist: es sind nicht überweltliche Gegenstände, sondern seelische
Idealzustände, also die Aberlegenheit über Leben und Welt mit
all ihren niederziehenden Mächten, wie Sünde, Rot, Sorge, Schuld und
Versuchung. So ist die Theologie, die mit Spekulationen über das Innen-
wesen Gottes begonnen hatte, zur Seele des gläubigen Menschen heim-
gekehrt.

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