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Kunstwart und Kulturwart — 27,3.1914

DOI Heft:
Heft 17 (1. Juniheft 1914)
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Schumann, Wolfgang: Nietzsche und unser Bürgertum, [2]: [zu dem Buche von Otto Ernst]
DOI Artikel:
Schmidt, Leopold: Film und Musik
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https://doi.org/10.11588/diglit.14289#0367

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tzunderte von Geistigen erleben, so heute wie er vor fünfzig Iahren. Zur
Linderung dieses Leidens hat er rnanches, hat die Welt seither wenig getan.
Dieses Leiden ist Otto Ernst fremd; wo er positiv spricht, tritt er für „Opti-
misrnus" ein, als ob man ihn auf Grund von dreizehn Seiten abstrakter
Abhandlung „wählen" könne, und scheint nicht zu ahnen, daß Pessimismus
nicht ein wahlfreies Belieben ist, weil Ernst ihn für „schädlich" erklärt,
ohne zu sagen, wem er schadet. Wo Ernst Werte aufstellt, beginnt er
mit Essen und Geschlechtgenuß und bringt dann weltbekannte Kunstwerte
als Beweise für das Dasein „objektiver" Werte; er hätte sich als einen
Wortführer der Oberflächlichkeit nicht so bloßzustellen brauchen. Man braucht
sich nur einmal mit Tolstoi, mit urchristlichen Gedanken, mit Platon,
mit japanischer Weltanschauung, mit indischer Philosophie ernsthaft zu
befassen, um zu sehen, wie wenig allgemein Werte wie diejenigen der
H-moll-Messe, Michelangelos, der Familie, der Symphonien Beethovens
sind, die Ernst alle anführt. Aber es kennzeichnet eine ganz bestimmte
geistige tzaltung, daß man diesen Gedanken nicht ertragen kann. Ernst
würde sich mit Recht wehren gegen die Meinung, er sei ein krasser Utilitarist
und Durchschnittmensch. Denn er hat Stunden, Tage vielleicht, wo er
anders denkt und hat Einsicht genug, andere Gedanken öffentlich im
Vordergrund zu halten. Aber er sinkt oft und oft wieder zurück in die
tzaltung des Ungeistigen, des mit dem Berstande nur Spielenden, dem
eine gewisse alltägliche Abwechslung von mittelmäßigen Erlebnissen die
meiste Freude macht. Man mag über diese tzaltung denken, wie man
will, sie reicht nicht heran an Nietzsches bitteres, irrendes Ringen und
muß sich im verärgerten Kampfe damit der Mittel bedienen, welche die
strengsten Forderungen an sich selbst nicht erlauben, die aber Ernst doch
nicht verschmäht: des Lächerlichmachens, des Zerstückelns, des Kritikasterns.
Es ist ein ewiger Gegensatz. Auf der einen Seite: die sich wohl fühlen
in der Zeit, die „Seele unseres Volkes, vor allem seiner Iugend, in
steigendem Maße" „vergiftet" glauben, und die „Pflicht^ fühlen, aus
einer „festen Äberzeugung" heraus die „herzlosen" Rrheber des Giftes zu
bekämpfen, mögen sie nun Nietzsche oder Ibsen oder Goethe oder Steiner
oder Sokrates oder Bruno heißen. Auf der andern Seite die, welche noch
nirgends geistige Freiheit und den Willen zum Geistigen mächtig sehen
und darum auch Irrende verehren, wenn sie eben diese beiden fördern:
geistige Freiheit und den Willen zum Geistigen. Wolfgang Schumann

Film und Musik

^W^er Kino war von vornherein auf musikalische Mitwirkungen ange«
(--D^Hwiesen. Die Stille, die in einem Auditorium herrschen würde, das
^^wortlosen bildlichen Darstellungen folgt, Hätte etwas Drückendes,
sie würde unsern Nerven unerträglich sein, und so mußte die Musik wieder
einmal als nervenspannendes, die Pausen ausfüllendes, die Stimmungen
ausgleichendes, alle Unruhe übertönendes Element einspringen. Die kine-
matographischen Vorführungen wurden also von Anfang an durch ein
Klavier oder (in schlimmeren Fällen) durch ein Orchester mit sinnlosen,
meist kaum beachteten musikalischen Geräuschen begleitet, so wie wir es schon
in unserer Iugend bei primitiven, auf die Leinwand geworfenen Lichtbildern
scherz-- oder lehrhaften Charakters gewöhnt waren. Mikroskopische Darstel-
lungen aus der Tier- und Pflanzenwelt, Landschaftsbilder, Schnurren und
 
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