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Kunstwart und Kulturwart — 27,3.1914

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Heft 15 (1. Maiheft 1915)
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Schmidt, Leopold: Richard Specht über Gustav Mahler
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Michel, Wilhelm: Licht und Dunkel im Wohnraum
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https://doi.org/10.11588/diglit.14289#0196

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das rührend zarte „Lied von der Erde" und die Neunte gegenüber, die
keine neuen Töne mehr anschlägt, und rnit der Mahler (wie einst Beethoven,
Schubert und Bruckner) von uns geschieden ist.

Eine reiche und interessante Porträtsamnrlung aus allen Lebensstadien,
ein Werkverzeichnis und Faksimiles bilden den Anhang des Buches, das
allen unbedingten Verehrern Mahlers reine Freude bereiten wird, aber
aitch derr andern mannigfache Anregungen und Aufschlüsse gewährt. Rn«
mittelbar nach Mahlers Tode konnte man sich in musikalischen Gedenk«
feiern nicht genug tun. Dann ist es wieder stiller geworden, und noch
heute findet Mahler nicht die allgemeine Anerkennung, nach der er sich
gesehnt, um die er gelitten und gekämpft hat. And doch ist es un«
denkbar, daß einer der schöpferischsten Geister der letzten Zeit so bald der
Vergessenheit anheimfallen sollte. Da kommt Spechts Buch zur rechten
Zeit. Wir brauchen solche Männer, die sich für eine ideale Sache mit
schöner Begeisterung einsetzen und sich an Goethes Ausspruch halten: daß
man zum wahren Verständnis eines Künstlers nicht durch Skepsis, sondern
nur durch Bewunderung gelangen kann. Leopold Schmidt

Licht und Dunkel im Wohnraum

^^^it dem Aufkommen einer neuen Möbelkunst untrennbar verbunden
ist das mächtige Einströmen des Lichtes in unsere Innenräume.
ging wieder einmal nach dem alten Gesetze der Neaktion. Vom
phrasenhaften tzalbdunkel der Renaissanceräume des (9. Iahrhunderts
kamen wir her, in denen an den Fenstern die schwersten, undurchlässigsten
Stoffe sich häuften und das durch Verglasungen geschwächte Licht nur
spärlich eindringen ließen. Di-eses tzalbdunkel war das eigentliche Cha«
rakteristikum der damaligen Auffassung vom Innenraum.

Was Wunder, daß die junge revolutionäre Bewegung zunächst ihm
zuleibe ging! Daß sie die schweren Portieren abriß, die Verglasungen
einschlug, die Fenster weit auftat und das Licht Hereinließ, das mit
seiner Nüchternheit und Frische der unpoetisch-aufklärerischen Geistesver-
fassung der Zeit auch symbolisch so gut entsprach. Vernunft, Nüchternheit,
Klarheit, Zweckmäßigkeit, Krieg gegen das Ornament, Licht — so hieß die
Losung. Eine ausgesprochen rationalistische Epoche.

Es rst gesagt worden, daß dieser plötzliche verschwenderische Einbruch
des Lichtes es war, der dann die Vereinfachung der Formen —
denn nur das tzalbdunkel kann üppige Dreidimensionalität der Möbel«
formen ertragen — und dieAuflichtung der Farben herbeiführte —
denn satte dunkle Farben wirken bei reicher Belichtung zu schwer. Aber
ob es mit dem Licht anging, oder mit der Vereinfachung der Formen,
das wird schwer zu bestimmen sein. Die gemeinsame rationalistische Wurzel
— man denke nur auch an die hygienische Seite der Sache — mag doch
wohl das Entscheidende gewesen sein.

Bun herrscht das Licht so ziemlich unbestritten im ganzen tzause;
je entschiedener der neuzeitliche Geist einer Innenausstattung, desto mehr
Licht. Die Begriffe „freundlich" und „hell" verbinden sich im Geiste
des modernen Innenarchitekten ohne weiteres. Nicht allein, daß die
Menschheit sich wieder auf ihre altererbte, mythologische Vorliebe für
das Licht besonnen hat, das Licht schafft auch im stillen wertvolle Arbeit,
indem es die uns so wichtige Reinhaltung der Gemächer unterstützt, indem
 
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