Das Dozentenhaus
Organisation unserer UniversitäLen hat sich bislang nur wenig,
^^Hzögernd und mangelhaft den modernen Verhältnissen angepaßt, und
das hat Äbelstände erzeugt, unter denen wir bereits leiden, bald aber
noch mehr leiden werden. Diese Äbelstände gehen teils auf die Sache,
teils auf die Träger der Wissenschaft. Beginnen wir mit der Sache.
Die moderne Arbeit, auch die wissenschaftliche, steht unter dem Zei-
chen der Arbeitsteilung. Aber nicht nur im Fabrik«, nein auch im wissen-
schaftlichen Betriebe droht die ArbeiLsteilung, als ausschließliches Ideal
betrachtet, der Arbeit die Seele zu morden. Die Leute, die nur immer
eine Maschine bedienen, die Leute mit dem InsektenbLick, die nur Aächstes
und Allernächstes in Zusammenhang bringen können, vermögen allen-
falls zu begründen, nie zu erfinden, denn, wie Einer gesagt hat, der
darum wissen konnte: „Durch die Logik begründet, durch die Anschau--
ung erfindet man." Wie aber soll man erschauen können, wenn man
nicht überschauen kann! Auch sonst hat diese Kultur des Spezialisten-
tumes, nach außen hin betrachtet, unerwünschte Folgen gehabt. Die mo-
nadologische Beschränkung so mancher Forscher auf ihr Gebiet hat es
verursacht, daß sie von anderen Gebieten gar nichts oder alles zu wissen
glaubten. Die ersten hielten dann jene Gebiete meist für überflüssig,
die zweiten glaubten sich zu ihrer Aeform berufen — ein stiller und
ein lärmender Irrtum, von denen der zweite der schlimmere auch dann
bleibt, wenn er seinen Begeher „weltberühmt^ gemacht hat. Der in
akademischen Studien und in Lehrtätigkeit stehende Mann pflegt da gewisse
Korrekturen zu ersahren durch Mitstrebende aus anderen Wissenschaften.
Ist das vielleicht ein Wink, diesen Zufall in eine Institution umzusetzen?
Doch hören wir erst die Beschwerde an, ehe wir an Vorschläge zur Ab-
hilfe denken — ich wollte doch auch noch von personalen Rnzu-
träglichkeiten sprechen.
tzier ist die bedenklichste Frage, die nach dem Ersatz unseres Leh-
rerpersonals. Natürlich hat diese Frage an sich immer bestanden,
sie ist aber heute aus den folgenden Gründen drängend geworden. Be«
kanntlich wird ein recht ansehnlicher Teil des Rnterrichtes an den Ani«
versitäten von Männern geleistet, die die Stellung und häufig auch nur
den Charakter von Privatdozenten haben, das heißt von Leuten, deren
Dienste der Staat zwar annimmt, denen er aber nicht die mindesten Ga»
rantien für die Zukunst bietet, ja, denen er meist nicht einmal Gehalt
für die Gegenwart zahlt. Rnd hinter diesen bereits habilitierten In-
habern akademischer Lehrstühle stehen die Anwärter auf solche als ein
noch weit größeres tzeer, davon die Einzelindividuen als Aussicht ost
nur einen unbegründeten Optimismus haben. Ia wovon leben denn
nun diese Männer, die doch einen bedeutenden Teil deutschen Wissens,
deütscher Zukunft verkörpern? Bei Fertigkeiten, die sich irgendwie in
klingende Münze umsetzen lassen, wie den ärztlichen und technischen etwa,
beantwortet sich ja die Frage leicht; wie aber steht es um die Privat-
dozenten für Sanskrit, Mathematik, Tibetanisch usw.? Es ist doch ohne
weiteres klar, daß eine solche Laufbahn einschlagen für den, der nicht
anderweitig Geld zur Verfügung hat, va bancius spielen heißt. Und in
der Tat: wer die Personalfrage im modernen Rniversitätsbetrieb verfolgt,
der sieht eine andere, zu der eben aufgestellten Behauptung gehörige und
Organisation unserer UniversitäLen hat sich bislang nur wenig,
^^Hzögernd und mangelhaft den modernen Verhältnissen angepaßt, und
das hat Äbelstände erzeugt, unter denen wir bereits leiden, bald aber
noch mehr leiden werden. Diese Äbelstände gehen teils auf die Sache,
teils auf die Träger der Wissenschaft. Beginnen wir mit der Sache.
Die moderne Arbeit, auch die wissenschaftliche, steht unter dem Zei-
chen der Arbeitsteilung. Aber nicht nur im Fabrik«, nein auch im wissen-
schaftlichen Betriebe droht die ArbeiLsteilung, als ausschließliches Ideal
betrachtet, der Arbeit die Seele zu morden. Die Leute, die nur immer
eine Maschine bedienen, die Leute mit dem InsektenbLick, die nur Aächstes
und Allernächstes in Zusammenhang bringen können, vermögen allen-
falls zu begründen, nie zu erfinden, denn, wie Einer gesagt hat, der
darum wissen konnte: „Durch die Logik begründet, durch die Anschau--
ung erfindet man." Wie aber soll man erschauen können, wenn man
nicht überschauen kann! Auch sonst hat diese Kultur des Spezialisten-
tumes, nach außen hin betrachtet, unerwünschte Folgen gehabt. Die mo-
nadologische Beschränkung so mancher Forscher auf ihr Gebiet hat es
verursacht, daß sie von anderen Gebieten gar nichts oder alles zu wissen
glaubten. Die ersten hielten dann jene Gebiete meist für überflüssig,
die zweiten glaubten sich zu ihrer Aeform berufen — ein stiller und
ein lärmender Irrtum, von denen der zweite der schlimmere auch dann
bleibt, wenn er seinen Begeher „weltberühmt^ gemacht hat. Der in
akademischen Studien und in Lehrtätigkeit stehende Mann pflegt da gewisse
Korrekturen zu ersahren durch Mitstrebende aus anderen Wissenschaften.
Ist das vielleicht ein Wink, diesen Zufall in eine Institution umzusetzen?
Doch hören wir erst die Beschwerde an, ehe wir an Vorschläge zur Ab-
hilfe denken — ich wollte doch auch noch von personalen Rnzu-
träglichkeiten sprechen.
tzier ist die bedenklichste Frage, die nach dem Ersatz unseres Leh-
rerpersonals. Natürlich hat diese Frage an sich immer bestanden,
sie ist aber heute aus den folgenden Gründen drängend geworden. Be«
kanntlich wird ein recht ansehnlicher Teil des Rnterrichtes an den Ani«
versitäten von Männern geleistet, die die Stellung und häufig auch nur
den Charakter von Privatdozenten haben, das heißt von Leuten, deren
Dienste der Staat zwar annimmt, denen er aber nicht die mindesten Ga»
rantien für die Zukunst bietet, ja, denen er meist nicht einmal Gehalt
für die Gegenwart zahlt. Rnd hinter diesen bereits habilitierten In-
habern akademischer Lehrstühle stehen die Anwärter auf solche als ein
noch weit größeres tzeer, davon die Einzelindividuen als Aussicht ost
nur einen unbegründeten Optimismus haben. Ia wovon leben denn
nun diese Männer, die doch einen bedeutenden Teil deutschen Wissens,
deütscher Zukunft verkörpern? Bei Fertigkeiten, die sich irgendwie in
klingende Münze umsetzen lassen, wie den ärztlichen und technischen etwa,
beantwortet sich ja die Frage leicht; wie aber steht es um die Privat-
dozenten für Sanskrit, Mathematik, Tibetanisch usw.? Es ist doch ohne
weiteres klar, daß eine solche Laufbahn einschlagen für den, der nicht
anderweitig Geld zur Verfügung hat, va bancius spielen heißt. Und in
der Tat: wer die Personalfrage im modernen Rniversitätsbetrieb verfolgt,
der sieht eine andere, zu der eben aufgestellten Behauptung gehörige und