heit erfüllte mich mit Seligkeit, da ich als Kind manchmal Angst hatte,
daß der liebe Gott vergessen könnte, Frühling werden zu lassen. Aber
in so zärtlicher Erinnerung ich die bescheidenen Winterblumenfreuden meiner
Kindheit halte, heute möchte ich sie doch nicht eintauschen gegen goldtropfige
Mimosen, von der eigenen Schönheit schwere Nelken, fröhliche Ranunkeln,
silbersternige Narzissen, zärtliche dunkle Veilchen — alle die Kinder des
Südens, die uns Schönheit und Freude bringen zu einer Zeit, wo wir in
kimmerischer Nacht leben.
Der eine: Man ist doch früher ohne diesen widernatürlichen Blumen«
reichtum im Winter ausgekommen, und war ebenso gemüt- und poesievoll
wie heute, wenn nicht mehr! Der tzang zum protzigen Äbertreiben, zum
„Rekord", macht sich auch auf diesem Gebiet geltend.
Der andre: Früher waren die Verhältnisse auch andere. Man
wohnte in kleinen Städten — denn auch die großen Städte waren klein--
städtisch — vielfach in eigenen tzäusern, die Ratur guckte noch überall
zu den Straßen Herein, es gab viele Gärten, und auf dem Fensterbrett
zog man sich seine Winterblumen selbst. Aber der moderne Mensch,
der Großstädter — und das ist ja häufig ein und dasselbe — wohnt in
Mietkasernen, in denen fast alle Bedingungen zur Blumenzucht uner-
füllt bleiben; die Natur kann er nur mit Tagesausflügen erreichen, und
so ist es ihm ein Bedürfnis, sich öfter für ein paar Groschen blühende
und duftende Schönheit, ein Bildnis und Gleichnis der verlorenen Gärten,
der verlorenen Ratur ins tzaus zu holen. Und die Blumenläden sind
in den Steinschluchten und Asphaltwüsten der Großstadt Oasen von
Schönheit, eine Vision von der Fülle.des Südens, vor der die armen
Enterbten gerne einen Augenblick in Andacht stehen bleiben.
Der eine: O ja, Blumenläden sind recht schön anzusehen, aber der
unerhörte Luxus, den sie darstellen, muß gerade in den „Enterbten^ Er-
bitterung hervorrufen, denn er ist eine Verhöhnung der sozialen Röte
unserer Ieit. Man sollte nicht große Summen ausgeben für die ver-
gängliche Schönheit von ein paar SLunden, wenn es an Geld mangelt,
Krankenhäuser und Asyle zu bauen. Wenigstens sollte eine Taxe für
soziale Bedürfnisse erhoben werden von jedem, der mit Blumenkaufen
Luxus Lreibt.
Der andre: Das finde ich ungerecht. Das würde einem das Blumen-
kaufen allerdings verleiden, aber ohne die Wohltätigkeit zu fördern. Asyle
sür Obdachlose sind etwas Löbliches, aber ich will nicht bei Rosen und
Orchideen an sie denken müssen. Man kann unter Amständen wohl
Blumen kaufen für einen „guten Zweck", aber in meine Gebe- und Schön-
heitsfreude hat der „gute Zweck" sich nicht einzudrängen, da empfinde
ich ihn als WiderwärtigkeiL) sogar als Entweihung. Wenn ich Blumen
und Krankenhaus in Verbindung setze, so soll es nur sein, um einem
Kranken mit einem Veilchenstrauß ein Stück Genesungsfreude und Früh-
lingshoffen zu bringen.
Der eine: Solches Blumenschenken lasse ich noch gelten! Ich will
das Blumenschenken überhaupt nicht abgeschafft, sondern nur den über-
triebenen Luxus eingeschränkt sehen. Die an sich hübsche Sitte des Blumen-
schenkens ist zu einer kostspieligen Verpflichtung, zu einer gesellschaftlichen
Steuer geworden. Ein junger Mann kann keinen Löffel Suppe in einer
Familie essen, ohne der tzaussrau einen Taler für einen Blumenstrauß
zu opfern, also zweimal Trinkgeld zu geben.
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daß der liebe Gott vergessen könnte, Frühling werden zu lassen. Aber
in so zärtlicher Erinnerung ich die bescheidenen Winterblumenfreuden meiner
Kindheit halte, heute möchte ich sie doch nicht eintauschen gegen goldtropfige
Mimosen, von der eigenen Schönheit schwere Nelken, fröhliche Ranunkeln,
silbersternige Narzissen, zärtliche dunkle Veilchen — alle die Kinder des
Südens, die uns Schönheit und Freude bringen zu einer Zeit, wo wir in
kimmerischer Nacht leben.
Der eine: Man ist doch früher ohne diesen widernatürlichen Blumen«
reichtum im Winter ausgekommen, und war ebenso gemüt- und poesievoll
wie heute, wenn nicht mehr! Der tzang zum protzigen Äbertreiben, zum
„Rekord", macht sich auch auf diesem Gebiet geltend.
Der andre: Früher waren die Verhältnisse auch andere. Man
wohnte in kleinen Städten — denn auch die großen Städte waren klein--
städtisch — vielfach in eigenen tzäusern, die Ratur guckte noch überall
zu den Straßen Herein, es gab viele Gärten, und auf dem Fensterbrett
zog man sich seine Winterblumen selbst. Aber der moderne Mensch,
der Großstädter — und das ist ja häufig ein und dasselbe — wohnt in
Mietkasernen, in denen fast alle Bedingungen zur Blumenzucht uner-
füllt bleiben; die Natur kann er nur mit Tagesausflügen erreichen, und
so ist es ihm ein Bedürfnis, sich öfter für ein paar Groschen blühende
und duftende Schönheit, ein Bildnis und Gleichnis der verlorenen Gärten,
der verlorenen Ratur ins tzaus zu holen. Und die Blumenläden sind
in den Steinschluchten und Asphaltwüsten der Großstadt Oasen von
Schönheit, eine Vision von der Fülle.des Südens, vor der die armen
Enterbten gerne einen Augenblick in Andacht stehen bleiben.
Der eine: O ja, Blumenläden sind recht schön anzusehen, aber der
unerhörte Luxus, den sie darstellen, muß gerade in den „Enterbten^ Er-
bitterung hervorrufen, denn er ist eine Verhöhnung der sozialen Röte
unserer Ieit. Man sollte nicht große Summen ausgeben für die ver-
gängliche Schönheit von ein paar SLunden, wenn es an Geld mangelt,
Krankenhäuser und Asyle zu bauen. Wenigstens sollte eine Taxe für
soziale Bedürfnisse erhoben werden von jedem, der mit Blumenkaufen
Luxus Lreibt.
Der andre: Das finde ich ungerecht. Das würde einem das Blumen-
kaufen allerdings verleiden, aber ohne die Wohltätigkeit zu fördern. Asyle
sür Obdachlose sind etwas Löbliches, aber ich will nicht bei Rosen und
Orchideen an sie denken müssen. Man kann unter Amständen wohl
Blumen kaufen für einen „guten Zweck", aber in meine Gebe- und Schön-
heitsfreude hat der „gute Zweck" sich nicht einzudrängen, da empfinde
ich ihn als WiderwärtigkeiL) sogar als Entweihung. Wenn ich Blumen
und Krankenhaus in Verbindung setze, so soll es nur sein, um einem
Kranken mit einem Veilchenstrauß ein Stück Genesungsfreude und Früh-
lingshoffen zu bringen.
Der eine: Solches Blumenschenken lasse ich noch gelten! Ich will
das Blumenschenken überhaupt nicht abgeschafft, sondern nur den über-
triebenen Luxus eingeschränkt sehen. Die an sich hübsche Sitte des Blumen-
schenkens ist zu einer kostspieligen Verpflichtung, zu einer gesellschaftlichen
Steuer geworden. Ein junger Mann kann keinen Löffel Suppe in einer
Familie essen, ohne der tzaussrau einen Taler für einen Blumenstrauß
zu opfern, also zweimal Trinkgeld zu geben.
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