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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 6.1930

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Reitz, Leopold: Hans Heinrich von Weingarten
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https://doi.org/10.11588/diglit.41983#0017

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Hans Heinrich von Weingarten
Von Leopold Reitz-Neustadt a. d. H.

Der Junker Hans Heinrich von Weingarten hatte um sein Zaunkönigtum
die übliche Schlinge geritten und sprang knapp hinter der Holzmühle aus
dem Sattel.
„Der Kerl hängt wieder hinten nach mit seinem Heiter", stieß er hervor.
Mit einem Reitstiefel voll Spott gedachte er seinen Knecht zu überschütten.
Sein Gesicht war das einzige Düsteröing im Hellen Maimorgen. Teufel
auch! Nicht einmal einen armseligen Holzdieb zu erwischen! Wer es kitzelte
ihm das Herz, daß sich die Bauern in ihre Hütten gekuscht wie geprügelte
Hunde und sein harter Sinn erinnerte sich voll Hochmut des Sprüchleins, mit
dem die Frauen ihre Kleinen in den Schlaf ängsten: „Schlaf Kindel, schlaf
ein, sonst laß ich den schwarzen Junker rein!"
Ein spinniges Lächeln kroch ihm aus dem Bart um die fleischige Nase.
Vorgestern, das war ein Fressen, als er den Freimersheimer Iörg, an den
Bügel geschlossen, im Galopp einbrachte, und das Gesinde grinste ihm
Triumph.
Potz Dreck! Ich will Euch! Die Reitpeitsche pfiff und pfiff — — der
maigoldene Ginster war zum kahlen Besen gehauen.
Als der Iunker von dem mißhandelten Strauch aufblickte, glänzte ein
braunhaariger Mädchenkopf vom Bach herüber. Die Zöpfe fielen lang über
den Rücken. Er überließ seinen Gaul der Freßgier und pirschte den vordersten
Heckenbusch an, der ihn einen Sprung weit im Rücken des Mädchens ver-
borgen hielt. Des Müllers Bärbel, hochgeschürzt, im knappen Mieder, mit
aufgestülpten Aermeln. Ein leckerer Anblick! Er schluckte schon, der Iunker.
Wenn sie die Linnenstücke aufrauschend aus dem Wasser hob und auf dem
Quader mit dem Bläuel bearbeitete, stand sie im Regenbogen der durch-
sonnten Sprühtrvpfen.
Was sie nur hat, daß sie den Kopf immer wieder von der Arbeit wendet
und wie suchend auf das gehende Wasser Paßt!
Angehört wollte er eben zugreifen, als das Mädchen mit einem Hellen
„ahi!" sich in die Strömung hinüberhielt und mit der Schlag rudernd und
schöpfend einen ellenlangen Weidenftecken herausfischte. Wie sie das Holz
mehrmals hastig an die Lippen Preßt, gewahrt der Iunker weihe Herzen,
säuberlich aus der Rinde geschnitten.
Wunderliche Liebespost, dachte er und brach mit Polterworten in ihre
schöne Versunkenheit ein: „Was hat Sie für einen Fisch gefangen mit Ihren
Angelzöpfen, was ist es mit dem Süßholz! He, Kleine, Sie hält Küsse feil!"
Erst flehten die Blauaugen in rührender Angst zu ihm auf, dann sah er
Aeberlegung im Blicke schwanken; aber noch ehe der rascherwogene Entschluß,
durch die gestaute Queich zu flüchten, auszuführen war, hatte er sie um die
Hüften. Sie schreit, sie schreit und drischt ihm die Arme mit dem Weidenstock.

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