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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 6.1930

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Busse, Hermann Eris: Das Tulpenwunder
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https://doi.org/10.11588/diglit.41983#0162

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Das Tulpenwunder
Von Hermann Eris Busse- Freiburg i. B.

An einem Wintertag in Weih und Blau, der langem Schneefall folgte,
ging das Liebespaar Ata und Leuthard in den Park hinab, den Zauber der
verschneiten Bäume, die Verschwiegenheit seiner Wege zu genießen. Der
Nachmittag neigte sich schon sanft in den Flor der Dämmerung hinein, jedoch
das grelle Weiß des Schnees befaß genug Leuchtkraft, um der früh herab-
fallenden Nacht zu wehren. Ata war fröhlich; ein Kind freut sich wie sie, im
Schnee herumzuwaten, auf unbegangener Fläche den Schuh hineinzudrücken
und nicht genug zu bekommen von diesem flüchtigen, hübschen Spiel. Da setzte
sie nun, sich von der Hand des Verlobten lösend, die Füße in schmaler Spur
voreinander, tanzend, das Gleichgewicht mit ausgebreiteten Armen haltend.
And ihr Lachen klang hell gegen die daunenweiche Schneefülle, ja es schien
fast, als hüpfe es wie ein zarter Ball vor ihr her, von ihr fort.
Das ging so eine Weile. Da hielt Ata inne und legte die Hände in den
Schnee mit gespreizten Fingern, dann mit geschlossenen Fingern, dann gekreuzt
übereinander und wie zwei Engelsflügel, indem sie die Handwurzeln zusam-
menpreßte und an den Ballen auseinanderfliehen lieh. Sie hatte grohe, kräf-
tige Hände mit schönen, langen Fingern. Da lagen jetzt nahezu zehn Paar
Hände eingedrückt in die kleine Böschung aufgeworfenen Schnees am Wegrand.
Ata betrachtete ihr Werk und sah den Verlobten fröhlich an: „Sieh doch!
Lauter Atahände. Könntest du sie küssen? Hättest du mich so lieb, daß du das
könntest? Tief dich beugen, daß deine schönen Hosen an den Knien voll Schnee
würden, halli, hallo! Aber im Ernst, könntest du das?"
Er sagte, kühl lächelnd: „Du Kindskopf".
Sie wischte mit dem Fuße die Spuren der Hände aus: „So, nun suche sie,
sie sind verzaubert. And vielleicht wärst du einmal froh, du könntest sie nur
noch ansehen, nicht einmal küssen."
Aeber ihr beschwingtes Wesen fiel ein Schatten. Es konnte aber auch nur
so scheinen, denn die Nacht sank schneller herab.
„Wir wollen heim", sagte Ata.
Leuthard kehrte um. Sie schwiegen jetzt.
Der Schnee knirschte unter den Schuhen, die alten Bäume im Garten
ächzten vor Frost. Rauhreif hing in langen Nadeln an den Zweigen, zu-
weilen raschelten ein paar auf den Weg nieder.
Amseln hörte man keckern, die spät vom Futterplatz heimflogen.
Atas Seele umrief die des Geliebten. Stirn und Brust schien ihr be-
schwert von Reue. Aber was hatte sie zu bereuen? Ach, neben dem Lachen
der Liebenden wohnt allzunahe die Schwermut.
Atas Seele umrief die des Geliebten, doch es kam keine Antwort. Wann
denn war ihr Antwort geworden? Frage es doch einmal, Ata, wann denn?
Da ist eines Tages der Mann in das Haus der Eltern gekommen, hat sich

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