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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 6.1930

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Cartellieri, Otto: In ägyptischer Gefangenschaft: Abenteuer eines Pfälzers
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https://doi.org/10.11588/diglit.41983#0145

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6n ägyptischer Gefangenschaft
Abenteuer eines Pfälzers
Von Otto Cartellieri- Karlsruhe

„Was ich nicht Hab erlernt, das Hab ich erwandert", sagt ein altes deut-
sches Sprichwort und ein französisches: „On ne voit rien geii ne vu bor8".
Dem Pfälzer war jederzeit eine stark ausgeprägte Wanderlust eigen. An-
gezählte sind in fremde Lande gewandert; je größer die Schwierigkeiten, je
größer die Strapazen, desto größer auch die Freude, das ersehnte Ziel erreicht
zu haben. Ihre Fürsten dachten nicht anders. Wie weite Fahrten hatt Ott-
Heinrich unternommen! Nachdem er in Spanien und in „anderen König-
reichen seiner Majestät" gewesen, unternahm er eine Reise nach Jerusalem
und hat selbst in einem Tagebuch seine Eindrücke festgehalten. Anterwegs
sammelte er Bücher und Handschriften für seine Bibliothek.
Die Kunde von den Erlebnissen des volkstümlichen Fürsten hat sicherlich
nachgewirkt und zahlreiche Pfälzer veranlaßt, Heimat und Hof für einige Zeit
Balet zu sagen und sich in der Fremde umzusehen.
Zu den Wanderlustigen, welche die Anschauung als eine vorzügliche
Lehrmeisterin priesen, gehört auch Michael Heberer aus Breiten, dessen Groß-
vater Georg Schwartzerdt ein Bruder Melanchthons war.
Michael Heberer besuchte zunächst die Schule in Breiten, in Heidelberg
und in Neuhausen bei Worms, studierte in Heidelberg und Wittenberg und
war dann über zwei Jahre lang Präzeptor des schwedischen Grafen Erich
Bilcke, der sich in Heidelberg hatte immatrikulieren lassen. Als der Graf in
seine Heimat zurückkehrte, bewarb sich Heberer nicht um einen ähnlichen
Posten, sondern beschloß, seinem Wandertriebe zu folgen und Frankreich aus-
zusuchen. Aus die Fürsprache seines einflußreichen Verwandten, des Kam-
mermeisters Georg Stuchs, hin, erklärte sich eine burgunöische Aristokratin,
Frau von Cormaillon, die mit ihrem Sohn nach Heidelberg gekommen war,
bereit, aus der Heimreise den Lernbegierigen in die Bourgogne mitzunehmen.
Rasch war Abschied genommen. Noch einen Blick in der Vaterstadt aus
Rathaus und Spital, aus den prächtigen Brunnen, aus Melanchthons Ge-
burtshaus und Bild an der Kirche; noch einige schöne Stunden im Heidel-
berger Schloß an der kurfürstlichen Abendtafel, und Heberer trat die Reise
am 7. Iuli 1582 an.
Heberer ließ sich angelegen sein, den Fremden alles Sehenswerte zu
zeigen. Bei Ladenburg machte er auf die Säule aufmerksam, die an den Sieg
des bösen Fritz bei Seckenheim erinnerte; in Baden ließ er das Schloß an-
schauen mit seinen Wasserkünsten und seinem prächtigen Marstall; in Selz
führte er die Burgundischen zu der Goldwäsche; vor ihren Augen wurde ein
ganz stattliches Goldkügelein gewonnen. In Straßburg stieg er mit dem

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