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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 6.1930

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Derwein, Herbert: Vom Heidelberger Begräbniswesen in früheren Zeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.41983#0072

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Vom Heidelberger Begräbniswesen
in früheren »Zeiten

Von Herbert Der wein

Nach Gesetz und Sitte bestattete die antike Welt ihre Toten außerhalb der
Städte. Natürlich schlossen sich die Christen zunächst diesem Brauch an, bis im
4. Jahrhundert, bald nachdem die Kirche siegreich die Zeiten der Verfolgung
Überstunden hatte, eine folgenreiche Bewegung einsetzte: man übertrug in die
Pfarrkirchen Gebeine der Märtyrer. Die alte Sehnsucht, diesen möglichst nahe
bestattet zu sein, drängte nun, allen Geboten zum Trotz, dahin, sich selbst in
den Kirchen der Städte und Ortschaften ein Grab zu sichern. Da aber die Kir-
chen nur einen Teil der Toten aufnehmen konnten, so ergab sich von selbst der
nächste Amkreis der Gotteshäuser als Begräbnisplatz. So entstand, bald
früher, bald später, der christliche „Kirchhof". -In Deutschland wurden die
Reihengräberfelder außerhalb der Siedlungen zugunsten der Kirchhöfe erst
gegen Ende der Merowingerzeit aufgegeben, mitunter auch später.
Für die Neuzeit ist eine entgegengesetzte Tendenz charakteristisch. Der
moderne Friedhof, wenigstens der städtische, liegt vor den Toren der Stadt.
Auch hier handelt es sich um eine Bewegung, die keineswegs zeitlich einheitlich
verlief, zudem auch verschiedene Gründe hatte. Z. B. wurde in Nürnberg
schon 1520, als eine furchtbare Pest wütete, verboten, künftig weiter aus den
Kirchhöfen in der Stadt zu begraben. Hier also war die Rücksicht auf die Ge-
sundheit der Lebenden entscheidend, die dann immer als ein wesentliches Mo-
tiv für die Verlegung der Kirchhöfe mitsprach. Der Kirchhof, meist ein-
gezwängt in ein enges Straßennetz, konnte sich selten, den Notwendigkeiten
entsprechend, ausbreiten, wurde vielmehr häufig noch durch den Ausbau der
Kirche, den Anbau von Kapellen verkleinert. So muhte oft viel zu dicht be-
stattet werden, viel zu schnell auch wurden die Gräber wieder neu belegt. Bei
Seuchen blieb häufig nur die Anlage großer Massengräber übrig. Kein
Wunder, daß in verschiedenen Jahrhunderten über die schädlichen Aus-
dünstungen geklagt wurde, und bei der mangelnden hygienischen Einsicht
früherer Zeiten zogen nicht ganz selten die Toten die Lebenden nach sich ins
Grab. Zumal unter den Geistlichen und Klosterinsasfen, die sich viel an
Gräbern aufhielten, sind Opfer gefordert.
Weiter waren die Friedhöfe, da die Kirchen meist im Brennpunkt der
Stadt lagen, ein früh empfundenes, beengendes Verkehrshindernis. Nicht
selten überrannte man es einfach, riß den geheiligten Bezirk hinein in das
Alltagstreiben. Anbefangen kürzte man seinen Weg zwischen Gräbern hin-
durch ab, und öfter waren die Friedhöfe auch nachts nicht verschlossen, z. B.
in Magdeburg während des 18. Jahrhunderts auf behördliche Anordnung
nicht, damit — im Fall eines ausbrechenden Feuers Menschen und Dinge
schnell aus der Gefahrzone gebracht werden könnten. Abends sei, so klagte
man, der Friedhof „eine Retirade des liederlichen und gottlosen Gesindels".

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