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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 6.1930

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Reis, Marielouise: Das Rathaus zu Schriesheim a. d. Bergstraße
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https://doi.org/10.11588/diglit.41983#0106

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Vas Rathaus ;u Schriesheim a. d. Bergstraße

Das Dorf Schriesheim ist, wie die ganze Bergstraße, alter Kulturboden.
Vorgeschichtliche Funde, keltische und römische Münzen sowie die Entdeckung
römischer Bäder dort legen dafür Zeugnis ab. — Als Scrizzesheim, Schryß-
hehm oder Scrhiessem (letzteres an die mundartliche Aussprache erinnernd)
bereits im 8. und 9. Jahrhundert erwähnt, seit 1500 Hauptort der nach ihm
benannten Schriesheimer Zent, zeitweise sogar unter Kurfürst Friedrich IV.
zur Stadt erhoben, ist es seinen Nachbargemeinden z. B. Dossenheim gegen-
über vom Glücke begünstigt gewesen. Wie noch heute die prachtvolle Sil-
houette der durch Kleists „Kätchen von Heilbronn" in die Weltliteratur ein-
gegangenen Strahlenburg hinter dem Dorf aufragt, so ist ihm auch sein
altertümliches Rathaus mit dem Marktplatz erhalten geblieben. Der Typus
des Rathauses der Bergstraße ist hier verkörpert: ein langgestrecktes Giebel-
haus der Renaissance mit schön gegliedertem Fachwerk, das wuchtige Dach
von einem graziösen Glockentürmchen bekrönt; das Fachwerkgeschoß des ersten
Stockes, in dessen Versammlungssaal der Rat der Gemeinde tagte, ruhend auf
einem massiven Antergeschoß mit einem in Rotsandstein ausgeführten Re-
naissancepvrtal und Fenstern an der Längsseite; dem ganzen Bau jedoch die
Schwere genommen durch die Ausgestaltung des Erdgeschosses in eine offene
Verkausshalle nach der Schmalseite zu, wie wir dies öfters bei Rathausbauten
finden. Der Eckpfeiler, in den die -Jahreszahl des Baues 1540 eingemeißelt
ist (andere Zahlen lassen wohl auf Ambauten und Erneuerungen schließen)
diente zugleich als Pranger, wovon das dort angebrachte Halseisen noch
erzählt. Während im Rathause selbst der städtische Rat tagte, der die Rechte
der Gemeinde oft gegen Aebergrisse der Fürsten zu wahren suchte, waltete
unter freiem Himmel aus dem Marktplatz das Zentgericht, dessen oberster
Herr im Rechtsprechen der Kurfürst war, so daß wir hier im Kleinen ein
Abbild der verschiedenen oft gegeneinander ringenden Gewalten dieser Jahr-
hunderte haben. M.-L. R.

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