Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 6.1930

DOI Artikel:
Betsch, Roland: Weinherbst in der Rheinpfalz
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41983#0087

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Weinherbst in der Rheinpfah
Von Roland Bet sch-Karlsruhe

^2

Der Herbst kommt wie ein Wallfahrer, der, allem Irdischen schon abge-
wandt, den Reichtum der Scholle verschenkt, lächelnd noch im Vergeuden und
eingehüllt von der Buntheit des sterbenden Laubes. Er ist der farbige Send-
bote des Todes. Das müde Streicheln Gottes.
Setzt dampfen abends die Wiesen und der Rebelrauch wird zur milchigen
Flut. Aeber der Landschaft liegt eine melancholische Sucht nach Amarmung.
Ich weih, daß jetzt die schönen Tage kommen; die braunen Tage mit milder
Sonne und mit jenem demütigen Glanz, der nur der Reise und dem Erfüllt-
sein anhaftet. Ich weih, dah jetzt die weiten, klaren Nächte kommen und des
Siebengestirns leuchtende Konstellation über die gigantische Kuppel des stern-
übergossenen Raumes zieht wie eine kleine Schar ängstlicher Wanderer, die
fern, unendlich fern, hilflos im All dem grohen Rätsel entgegengleiten.
Es ist die Zeit, da mich die Heimat ruft, da ich durch die Fülle deiner
Landschaft wandere, Pfalz am Rhein, du Gesegnete und Verfluchte, du Land
voll Wirrnis und Ruhelosigkeit. Ewige Scholle, die über Haß und Liebe,
über Zerstörung und Völkerschicksal hinweg ihre tausendfältige Frucht trägt.
Seht, der Tag ist hell und leuchtend geöffnet. Die Weinberge glühen.
Ein Millionenheer früchteschwerer Stöcke wartet auf den großen Tag. Ietzt
fegt es wie Sturmwind über das Land zu Füßen des Haardtgebirges. Denn
es ist die Zeit, da der Wein reift.
Die Scholle ruft. Das Land ist rebellisch geworden. Taumel bricht auf
wie eine späte Blüte. Schwärme von Menschen ziehen am frühen Morgen
hinaus. Die schweren Hoftore der Bauernhäuser öffnen sich wie Mäuler und
über holperiges Dorfpflaster rumpeln und humpeln die Kuhgespanne. Auf
den uralten Wagen stehen plumpe Bottiche und Traubenmühlen. Huftiere,
behäbig schwankend, dickleibig und stallduftend ziehen in den gelben Morgen.
Aus feuchten Mäulern stößt dampfender Atem. Voraus und hinterher, klobig
und dickbestiefelt schreitend, auf Fässern und Bütten hockend, das Männer-
und Weibervolk. Kreischend und lachend und mit Derbheit urwüchsig ge-
laden. Zum bäurischen Schabernack schon in aller Herrgottsfrühe stürmisch
aufgelegt. Zaushaarig, funkeläugig. Stoppelbärtig verschmitzt.
Der Tag bricht auf und wird von müder Sonne vergoldet. Ich will mich
auf einen Rumpelwagen setzen und mit hinausziehen in den Taumel des
Weinherbstes, in diese heiterste und farbigste aller Ernten, in diesen emsig
beschwingten Allerweltskarneval. Hoch oben auf einer Traubenmühle will
ich hocken wie ein lüsterner Popanz, hinter dem wankenden Trott der Kühe,
die uns über därmefchüttelndes Pflaster und ausgefahrene Wingertwege
mitten hineinziehen in den Reichtum gesegneter Erde.

6d
 
Annotationen