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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 6.1930

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Derwein, Herbert; Hoffmann, Heinrich: Das Michaelskloster auf dem Heiligenberg: zu den Federzeichnungen von Heinrich Hoffmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.41983#0198

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Das Michaelskloster auf dem Heiligenberg
Zu den Federzeichnungen von Heinrich Hoffmann-Heidelberg
Von Herbert Derwein-Heiöelberg

Gegenüber von Heidelberg, am Ausfluß des Neckars in die Ebene, ragt
der Heiligenberg, der das religiöse Sehnen nach erhabenem Andachtsbezirk
seit Arzeiten angezogen hat, und bis heute das Einsame, Anabhängige und
Aeberragende der echten Kultstätte bewahrte. Hier haben die Kelten ihren
Visucius verehrt, heidnische Germanen beteten hier zu Wotan. And von den
Resten des Tempels, den die Römer dem Merkur errichteten, haben Mönche
Bausteine für jenes Kloster auf der Hinteren Kuppe genommen, von dem wir
noch heute zerborstene Türme, zerfallene Mauern, nackte Fundamente finden.
Nur dünn ist unser Wissen um die Geschichte des Michaelsklosters, das
von der Abtei Lorsch gegründet wurde. Der Bau der Basilika begann
zwischen 863 und 875; — zwischen 1022 und 1033 wurde die Kirche in
romanischem Stil umgebaut und zu einer umfassenden Klosteranlage erweitert.
Schon im nächsten Jahrhundert ist die Blütezeit des Klosters vorbei, 1503
stürzte der Glockenturm über der Vierung zusammen, bald darauf war das
Kloster zerfallen und diente dann als Steinbruch.
Inzwischen hat sich seit einigen Jahrzehnten die Forschung ehrfürchtig der
Trümmer angenommen. Planmäßig ist der Spaten in Bewegung gesetzt, um
Verschüttetes sreizulegen. Gelehrte haben vorsichtig die aufgedeckten Ruinen
gedeutet, indem sie andere Bauten der Zeit zum Vergleich heranzogen und
alle nur erreichbaren schriftlichen Quellen befragten. Freilich — bei einer Re-
konstruktion muh die Forschung selbst in den großen Grundzügen ihre Be-
hauptungen unter ein „vielleicht", „vermutlich", „wahrscheinlich" stellen. Es
kann nicht anders sein. Denn Wissenschaft ist Selbstbescheidung, Abgrenzen
von Wissen und Hypothese. Weiteren Kreisen aber werden selten die zurück-
haltenden, oder gar verschiedenen Deutungen der Forscher in ein unmittel-
bares Verhältnis zu den Trümmern der Vergangenheit bringen. Zu vieles
bleibt begriffliches Wissen, wo erst die Anschauung die Wärme inneren
Anteils gibt. Weit mehr vermag da zunächst das eindeutige, plastische
Bild, das ein Angesähr in ein So-Sein, eine Möglichkeit in eine Tat-
sache verwandelt. Natürlich kann ein solches Bild nie die Wirklichkeit von
einst adäquat erfassen. Schließt es sich aber genau an die vorhandenen Bau-
reste an, berücksichtigt es die gesicherten Ergebnisse der Forschung, gibt es die
Stimmung der Zeit einfühlsam wieder, so kann es für viele, Weitmehr als eine
wissenschaftliche oder popularisierende Abhandlung die zündende Kraft haben.
Totes zu wecken, Zerfallenes auszubauen, — ein Stück Heimatboöen zu
innerem Besitz werden zu lassen.
So wollen die Federzeichnungen Hosfmanns richtig gewürdigt werden
als der gewiß dankenswerte Versuch, weiteren Kreisen ein lebendiges Bild zu
vermitteln, wie einst die Klosteranlagen auf dem Heiligenberg ungefähr aus-
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