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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 6.1930

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Gutting, Willi: Die Burgfrau vom Bärbelstein: nach einem pfälzischen Sagenthema
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https://doi.org/10.11588/diglit.41983#0189

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Die Burgfrau vom Bärbelstein
Nach einem pfälzischen Sagenthema
Von Willi G Utting-Leimersheim (Pfalz)

Der Tag lag gleißend über den dunklen, welligen Wäldern, sein tödlicher
Glanz zog durch die silbernen Täler, mündend in dem fernen, dunstigen Ring,
der um die Landschaft gebogen war, abschließend, was barmherzig von außen
her kommen wollte, hinter der blauen, unerreichbaren Mauer her, den weiten,
zartgefärbten Bergen am Horizont. So stand die Burg allein inmitten des
unberührten Landes, und als der Abend rot darüber kam, fiel sie im letzten
Sturm. Der rote Brand der Sonne brach mit den Männern in die dunklen,
gefährlichen Gänge der Burg ein, schlug in Schrei und Röcheln aus den
Kehlen, knisterte im Schwung und Wurf der Fackeln, spiegelte sich dunkel
und warm in den zuckenden Schneiden der Waffen. Lärm scholl dröhnend
durch die Gewölbe, in toten Winkeln begann spukhaftes Leben und erlosch
im Finstern. —
Später sammelte sich schattenhafter Troß im Hof, Feuer glühten auf und
brannten trüb vor Dunklem, Silhouetten ragten schwarz vor ihnen, huschten
vorüber. Lachen und Rufen vergellte hoch im Leeren über der Burg oder
stieß an stummen Mauern zurück, wurde auf einmal zu Fluch und Schrei;
denn plötzlich spie es aus Löchern und Schlünden der Burg schweren Qualm,
der sich über alles Lebendige ausbreitete.
So blieb die Burg im zwiefach dunklen Mantel des Rauches und der
Nacht zurück, hoch über allen Tälern, alleingelassen in ihrem Antergang,
Scheiterhaufen für den toten Herrn und die erschlagenen Knechte.
Noch aber war die Einzige verschont, noch war kühler und reiner Atem
um sie, noch hielt sie die Burg tief innen, wo sie unversehrt war. Nun war
sie wahrhaftig Herrin, die Frau, ihr Mund war der letzte Mund, zu sagen,
was sie litt, und ihre Hand war die letzte Hand, die hielt, was noch zu halten
war: das Kind. Denn schon begann es unsichtbar um sie zu welken, Stimmen
kamen aus den Wänden und durch die Balken der Türe, der Kienbrand
flackerte trüb in seinem Ring. Sie bog sich tiefer über das Kind, das ihr im
Arme schlief, den zärtlichen Mund an ihrer bloßen Brust; sie schloß die
Augen und vernahm, wie das Blut Schlag um Schlag singend von ihrem
Herzen bis in die Schläfen stieg; dann wurde es grauenhaft still in ihr, sie
horchte: draußen im Gang kam es näher, rieselnd, brechend, flüsternd. Ihr
Auge stieß, geöffnet, entsetzt in Finsternis, in ihrer Kehle brannte erstickendes
Gift. Es riß sie empor, ein Brausen schlug um sie, ihre Knie brachen ein.
Sie kroch mit ausgestreckter Hand: da war Mauer, da der Riegel, Sturmwind
pfiff durch die aufgeschlagene Tür, da staubiger Stein. Stufen, Stufen —
Endlich: oben ein tröstlicher Schein, ausgeschnitten aus der Nacht. Dann liegt
die Plattform da, gekannt von vielen Morgen und manchem Abend her, nun
in einem fremden, bewegten Licht.

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