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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 6.1930

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Hoenninger, Waldemar: Heidelberger Studentenstreiche
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https://doi.org/10.11588/diglit.41983#0129

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So ging's nun immer weiter, d. h. endlich ging das Zicklein, Ermüdung
vorschützend, nicht mehr weiter und muhte den Schlohberg hinausgetragen
werden. Dort wurde es wieder auf eigene Füße gestellt. Oben erschien ich,
es war eben Nachmittagskonzert, zur sichtbaren Freude des ziemlich stark ver-
tretenen S.C. mit meinem lieben Zicklein an der Leine kaltlächelnd in Mitte
des staunenden Publikums, den ungeheuchelten Beifall desselben vornehm
ablehnend. Der Erfolg war ein durchschlagender! Beinahe hätte die Musik
„Tusch" losgeschossen!
Am aber wieder aus den Hund zu kommen, so will ich einige liebens-
würdige Eigenheiten desselben nicht unerwähnt lassen: Er hatte die Gewohn-
heit, aus der Straße große Menschen und kleine Hunde niederzurennen; erstere,
indem er, einen entsprechenden Anlauf nehmend, ihnen eo pleioe carriere und
mit affenartiger Behendigkeit von rückwärts zwischen die Beine lief, so daß
sich dieselben mit der Geschwindigkeit der Momentphotographie an der Erde
sitzen sahen; letztere, indem er sie mit seinen Vorderbeinen vor sich herrollte.
Seitens der Beteiligten trugen ihm die Schäkereien unendlich viel Flüche ein,
er aber reagierte niemals daraus. Auch war es sehr nett von ihm, daß er,
wenn es ihm im Kaffee oder bei „Franzel" oder sonst irgendwo in einem
Parterrelokale zu langweilig wurde, einfach zum Fenster raussprang, ge-
wöhnlich zum geschlossenen; letzteres machte erstens mehr Effekt und zweitens
wars auch nobler, weil ich jedesmal den Glaser bezahlen mußte. Sonst aber
war er ein lieber Kerl!
Cs war im Winter, wir sahen im Theater. Irgendeine unmotivierte
Operette war im Gange, in welcher von mehreren Damen eine verballhornte
Mazurka in einer Art Husarenuniform getanzt wurde; geführt wurde der
Reigen von der recht hübschen und jungen Soubrette „Keil", die in ihrer Größe
und Stärke noch eher zu den Gardekürassieren, als zur leichten Kavallerie ge-
paßt hätte. Die Rolle saß ihr übrigens wie angegossen und ihr Vortrag war
ausdrucksvoll; die Spannung des Publikums und der Anisormen war außer-
ordentlich. Zum Schlüsse fielen mir zwei Dienstmänner aus, die ihre Hände
von ausgesucht großem Kaliber mit Applaus aus das gewissenhafteste ab-
arbeiteten und dem Kommandeur der Husarenabteilung, vom hohen Olymp
herab, einen ansehnlichen Blumenstrauß an den Kopf warfen. Nach einer
Stunde etwa, wir saßen schon längst aus der Kneipe und gedachten nicht mehr
der großen Mimin, trat unser Fax an die Kneiptasel mit der Meldung: „Herr
T! Die zwee Dienschtmänner, was als für Sie im Theater für Fräule Keil
geklatscht habe und die Blume g'schmisse habe, lasse höflichscht bitte, weil sie
kee Geld nicht habe und heut noch'n Schoppe trinke möchte; sie hätte im
Theater in die Hitz' da drobe als'n arge Durst kriegt." — T, sprachlos vor
Entsetzen und Wut, siel sofort vom Gerüste, dieweil wir in Hellen Iubel und
nicht endenwollende schallende Heiterkeit ausbrachen. Die Clique, mehr durch
Qualität als durch Quantität bedeutend, wurde ob dieses sehr willkommenen
Intermezzos aus Freibier gestoßen und zog fürstlich belohnt ab. V war für
den Rest des Semesters besorgt und aufgehoben, um so mehr, als sich heraus-
stellte, daß ein anderer denn er dem bewußten Husaren schon seit geraumer
Zeit näher stand als sonst. — Ieder Spaß hat endlich sein Ende, also auch
dieser; ich hoffe aber, daß Sie mich späterhin einmal „ernstlich" kennen-
lernen werden!

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