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Deutscher Altphilologenverband [Editor]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 36.1993

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Nr. 1
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Aktuelle Themen
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Maier, Friedrich: "Weltszenarien 2000" - Ohnmacht der Antike?: Gedanken zur Zukunft der Alten Sprachen im Gymnasium
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Krefeld, Heinrich: Das Umfeld und die Ziele von Latein 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.35882#0010

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Gymnasium nur begründbar innerhalb eines umfassenden Bildungskonzepts, das sich als
Kompromiß der Ansprüche von Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften neu definieren muß
- eben in Rücksicht auf die Perspektiven des informationstechnischen Zeitalters.

Das Umfetd und die Ziete von Latein 2*

DR. FRIEDRICH MAIER, München

Ist Latein 2 zweite Wahl? Meine Antwort vorweg: Wir sollten uns darauf einstellen, daß es heute
für den weitaus größten Teil der Eltern und der Schüler, soweit sie sich für Latein entscheiden,
erste Wahl ist und daß man in etwa zwei lahrzehnten, wenn ich die Faktoren, die das Umfeld
dieses Unterrichts heute weithin bestimmen, in ihren Auswirkungen auf künftiges Wahlverhalten
richtig einschätze, froh sein dürfte, wenn Latein 2 seine jetzige Position einigermaßen behauptet.
Ob es dann überhaupt noch den Lehrgang Latein 1 geben wird? Gegen dessen kontinuierlichen
Rückgang, von dem selbst, wie F. Maier vor der Vertretewersammlung des DAV in Berlin
festgestellt hat (MDAV 3/92, S. 93), „traditionelle Hochburgen wie Bayern" nicht verschont
bleiben, sind wir offensichtlich machtlos, wenn auch die Didaktik unseres Unterrichts gute
bildungstheoretische Gründe für Latein als erste Fremdsprache an den Gymnasien ins Feld führt.
Diese Tendenz ist nämlich auch in Nordrhein-Westfalen eindeutig fallend. Der Anteil der
Schüler, die an den Gymnasien von Klasse 5 ab Latein wählten, betrug 1984/85 12,2 %, 1986/
87 9,6 %, im Schuljahr 1989/90 8,1 %, 1990/91 nur noch 7,3 %.
Dagegen hielt sich Latein 2 seit lahren relativ gut, nachdem es in der Mitte der 80er Jahre einen
Einbruch hatte hinnehmen müssen. Betrug doch der Anteil der Schüler in NRW, die Latein von
Kl. 7 an wählten, 1 984/85 noch 60 %, 1986/87 abernur noch 49,7 %. Im Schuljahr 1989/90
waren es 47,9 %, 1990/91 48,3 %. An den Gesamtschulen unseres Landes, die von der
Kultusverwaltung stark gefördert werden, während etwa der Kultusminister Bayerns das
Experiment Gesamtschule für beendet erklärt hat, wobei sie eine andere Struktur als in NRW
aufwies, nimmt die Zahl der Lateinschüler in signifikanter Weise ab, wie G. Scheda, dem ich
diese Zahlen verdanke, auf der erwähnten Vertreterversammlung festgestellt hat. Dies ist
offensichtlich darauf zuruckzuführen, daß-bisher jedenfalls-von den Gesamtschulneugründungen
weitaus mehr Haupt- und Realschulen betroffen wurden als Gymnasien. Ob das so bleiben wird?
Ich weiß es nicht. Jedenfalls wird hier sichtbar, daß und in welchem Maße die bildungs- und
schulpolitischen Intentionen der Kultusverwaltungen der Länder, und dies gilt auch für die der
neuen Bundesländer, das Umfeld unseres Unterrichts mitbestimmen, ferner, daß diese zurZeit
auseinanderdriften.
Wo die, überwiegend lateinlose, Gesamtschule als die bessere Schulform für alle propagiert
wird, besteht die Gefahr, daß das Gymnasium als überholt abgestempelt, Latein als unnütz
betrachtet und dort, wo die Gesamtschule flächendeckend, wie man so sagt, eingeführt wird,
diese Sprache der Elternschaft als Bildungsangebot kaum noch zur Wahl steht, wie es in vielen
Bezirken der Stadtstaaten bereits der Fall ist.
Andererseits sind die meisten Eltern guten bildungstheoretischen Argumenten gegenüber, wenn
sie verständlich dargeboten werden, durchaus aufgeschlossen, weil sie in unserer mobilen
Gesellschaft eine solide Schulbildung für das Beste halten, was sie ihren Kindern mitgeben
können. Hier liegt denn auch die Chance der Argumentationshilfen, die ihnen auf vielfältige
Weise geboten werden, zumal die Parole, ,Latein ist Herrschaftswissen', mit der ihm viele am

* Referat auf der Tagung der Akademie für Lehrerfortbildung Dillingen, unter dem Thema „Latein 2 - zweite
Wahl?" am 20.1 1.1992 in Cars.
 
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