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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 27.1928

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Eisler, Max: Ausstellung "Neuzeitliches Wohnen" in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.48540#0361

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289


Professor Dr. Josef Hoffmann — J. Soulek und B. Ludwig, Wien
Teesalon
Wandmalerei von Mathilde Floeg-e

AUSSTELLUNG „NEUZEITLICHES WOHNEN“ IN WIEN

Diese Ausstellung-, die im neuen Trakt des Oesterreichischen
Museums an der Wollzeile, ring-sum eine läng-sseits geöffnete
Halle, eine Reihe zweckverschiedener Innenräume sammelt, hat
ihren besonderen Charakter und ihre besondere Bedeutung: Sie
ist nämlich nicht — wie die vergleichbaren Darbietungen der letzten
Jahre am selben Ort — eine Veranstaltung der Wiener Künstler,
sondern eine der Erzeuger. Das heißt: Die Rollen sind diesmal
vertauscht. Was bisher aus der Initiative der Entwerfer hervor-
gekommen war und allmählich als ihr natürliches Vorrecht erschien,
haben jetzt die Industriellen wieder an sich genommen. Von ihnen
stammt schon der Gedanke der Werkschau, von ihnen das Programm
und selbstredend auch die Durchführung. Die Künstler erscheinen
jetzt nur als Berater und Helfer, aber auch das nicht in allen
Fällen. Und eben diese Umkehr gibt der Ausstellung ihren grund-
sätzlich neuen Charakter. Es geht hier nicht mehr wie in den
vielen früheren Wiener Fällen um ein Experiment, um eine An-
regung, eine Möglichkeit, über deren Schicksal erst die Zukunft
entscheiden kann, sondern es geht um einen produktiven und
ökonomischen Tatbestand : was hier gezeigt wird, hat sich durch-
gesetzt, wird begehrt und gekauft. Das mag nüchtern klingen,

aber es ist die Wirklichkeit. Die Unternehmer führen das Wort.
Sie geben Kunde und Rechenschaft über ihr Verhältnis zur Form-
entwicklung des Handwerks. Daß sie dies in einem wichtigen
oder geradezu kritischen Augenblick tun, steigert nur die Be-
deutung der Ausstellung.
Man wird, um ihren Sinn im Grund zu erfassen, sich vor Augen
halten müssen, wie es denn bisher in Wien zwischen dem Erzeuger
und Künstler oder — um das hauptsächliche Beispiel anzuführen —
zwischen dem Tischler und dem Entwerfer zugegangen ist. Die
Geschichte des Oesterreichischen Museums, das ja vornehmlich
zum Zwecke der Vermittlung zwischen diesen beiden Kräften
gestiftet war, wird diese Frage am besten beantworten können.
Da gab es drei wesentlich verschiedene Etappen: Eitelberger
hatte — im Geiste seiner Zeit — dem Gewerbe die besten Vor-
lagen der historischen Stile zugeführt. Zeichenkurse, noch mehr
die fortwährende und genaue Fühlungnahme mit den groß-
gewerblichen Betrieben ließen eine ästhetisch allseits versierte,
doch auch uniforme Klasse von Entwerfern heranwachsen, die sich
mit den Erzeugern vortrefflich verstand. Aus dieser streng ge-
schulten und soliden Gemeinschaft ging ein neuer Aufschwung

MOD. BAUFORMEN 28. VIII, 1
 
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