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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 27.1928

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Eisler, Max: Eine Wohnung von Otto Prutscher
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https://doi.org/10.11588/diglit.48540#0570

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472

Professor Otto Prutscher, Wien
Büfett


EINE WOHNUNG VON OTTO PRUTSCHER

Die Stadtvilla, deren Einrichtung- hier gezeigt wird, liegt
im Währinger Cottage und genießt hier die Vorteile
einer besonders begünstigten Situation. Man ist im Freien,
die Häuser stehen in Gärten, an der Seite unseres Hauses
steigt das Gelände an. Auf diese kräftige Stufe hingestellt,
enthält es im ausgehöhlten Erdgeschoß die Garage, schon
die Etage der Hausmeisterwohnung muß mit einer Freitreppe
erklommen werden, die dann weiterhin steil zum Eingang
in die Wohnung des Eigentümers führt. Man hat auf diesem
Weg schon draußen und dann in den beiden Stockwerken
drinnen die schönste weiteste Aussicht auf das Wiener
Gartenviertel, auf die Schauspiele seiner Jahreszeiten und
auf seinen südlich heiteren Himmel.
Damit war auch dem Baumeister die wichtigste Aufgabe
gestellt: es galt, den leichten, beweglichen Landschaftsraum
in einen angemessenen Baukörper einzufangen. Inwieweit
das geschehen ist, steht hier nicht zur Frage. Denn wir
zeigen ja nur die von anderer Hand, von Otto Prutscher
herrührende Einrichtung. Für ihn war das fertige Haus eine
Gegebenheit, mit der er nach seiner Art zurecht kommen
mußte. Man weiß, daß so etwas weit schwieriger und
weniger dankbar ist, als von Grund auf alles aus Eigenem
durchzuführen. Fälle dieser Art verlangen von der zweiten
Hand eine besondere Fähigkeit der Anpassung und wo,
wie hier, der Bauherr intellektuell, aber ein Anhänger bür-

gerlicher Wohnlichkeit ist, besonderes Verständnis für die
zwischen gesunder Tradition und Fortschritt eingestellten
Wünsche der auftraggebenden Gesellschaftsschicht.
Für solche heikle Aufgaben ist — eine stattliche Reihe
seiner Arbeiten haben es bewiesen — Prutscher der berufene
Mann. Denn er vereint mit der seltenen Gabe verständiger
Anpassung die soziale Einsicht vor allem in die Veranla-
gung jenes Kreises, dem er innerlich verwandt ist und den
er wie kaum ein zweiter kennt. Dafür bietet diese neue
Arbeit ein bemerkenswertes Beispiel. Der Künstler befand
sich teilweise in offenbarer Raumnot. Besonders im knappen
Vorzimmer und in dem eng anschließenden Stiegenhaus.
Er half sich durch glatte, dünne Bildungen, durch Glas und
hellen Anstrich, also durch lauter Mittel, die den Raum
leicht passierbar, praktikabel und atemfrei machen. Dagegen
erscheint die Halle mit der anstoßenden Bibliothek auf das
Behagliche, um nicht zu sagen Behäbige, jedenfalls auf das
Seßhafte bedacht. Aus ihren von braunen Polituren erwärm-
ten Dämmerungen tritt man dann beglückt in die glanzvolle
Helle einer die ganze Haustiefe durchmessenden, von der
Straße bis zum Hügel reichenden Flucht mit dem Speise-
saal und dem Wintergarten. Gegen den weißen Edelputz
der Wände und ihrer geschmückten Pfeiler steht das ge-
diegene, standfeste Möbel, jedes ein meisterhaftes Tischler-
werk. Im kristallenen Lüster spielt das Licht, rückwärts
 
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