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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 27.1928

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Eisler, Max: Ein neuer Judenfriedhof in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.48540#0598

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498


Architekt Starik, Prag
Einfamilienhaus

EIN NEUER JUDENFRIEDHOF IN WIEN

Seit dem Ende des Krieges ist allenthalben das Interesse
für neue Friedhofsanlagen besonders aktuell geworden.
Das jüngst erst erschienene Buch von Stephan Hirzel „Grab
und Friedhof der Gegenwart“ zeigt, wie es um die Ent-
wicklung dieser Anlagen steht. Darnach hätte man erwarten
dürfen, daß auch der mit dem respektablen Aufwand von
1 Million Mark errichtete neue Judenfriedhof in Wien einen
Beitrag zur modernen Lösung des Problems bringen werde.
Das hat er, genau genommen, nicht gebracht. Die Schuld
liegt an der Form der Ausschreibung. Denn diese war so
gefaßt, daß sich gerade die modernen Architekten von
dem Wettbewerb ferngehalten haben. Schade. Gerade die
Judenfriedhöfe — man denke nur etwa an den altberühm-
ten in Prag, der auch mitten in Wien, in der Seegasse,
ein bescheidenes Seitenstück hat, an den Gartenfriedhof
am Eingang in den Wald von Scheveningen oder an viele

schlichte Bergfriedhöfe allenthalben — sie haben eine schöne,
stimmungsvolle Überlieferung, an die das Neue sinnig
hätte anknüpfen können.
Statt dessen hat der Architekt die Absicht gehabt, etwas
besonders Stattliches und weithin Wirksames zu schaffen.
Das ist ihm nun zweifellos gelungen. Aber er ist dabei der
Gefahr des Effekts und der Nachfolge nicht ganz entgangen.
Denn die Elemente seiner Anlage sind der Arkadenhof
und die Kuppelhalle, also Motive verschiedener, beide
Male fremder Herkunft, die allerdings nach moderner Art
gewürfelt und vereinfacht sind. Auch läßt die mit echtem
Material überladene Haupthalle eine gewisse Schlichtheit
vermissen, die hier ganz besonders am Platze gewesen
wäre. Doch ist die Anlage klar und geräumig geraten und
steht in dem zweckhaften Anbau für den Leichendienst
vor der Aufbahrung auf der Höhe der Zeit. Max Eisler.
 
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