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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 9.1895

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Schumacher, Heinrich Vollrat: Das Hungerloos, [1]: humoristischer Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.19627#0099

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MODERNE KUNST.

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und reite nur zehn Schritte weit. Such' Dir aber um Gotteswillen einen Otti sträubte sich noch. Ihre verweinten Augen flogen seheu zu dem

frischgepflügten Acker aus, damit Du Dir nicht die Füsschen brichst, mein alten Herrenhause der Rocholl hinüber.

Püppchen! — Na ja!" unterbrach sie sich lachend. „Nun sind wir kaum „Ist er da?" fragte sie ängstlich,

fünf Minuten beisammen; da musste ja die Zankerei wieder losgehen! Leo verzog spöttisch die Lippen.

Und dabei haben wir uns über ein Vierteljahr nicht gesehen. Es lag nicht „Papa? Er ist nach Templin hinübergefahren, Hasenfuss! Komm' nur

an mir, Otti, auch nicht an Mama und Mia! Auf Ehre nicht! Aber — er unbesorgt mit. Mama ist auch drüben. Der Ameisenlöwe ist heute

wollte es nicht! Er hat uns sogar streng verboten, an Eurem Hause vor- Morgen mit dem Gemüse auf dem Markte gewesen und soll ihnen nun

überzugehen!" Rechnung legen!"

Sie presste die Lippen zusammen und schleuderte zornig den Zopf Otti sah erstaunt auf.

mit dem Strohbande in den Nacken. Otti war ganz blass geworden. „Der Ameisenlöwe?"

„Ja, der Papa!" seufzte sie. „Oh, Leo, konnte ich anders? Konnte Leos Gesicht hatte sich plötzlich verfinstert,

ich von Erich gehen, nachdem er sein Vermögen verloren hatte? Nach- „Ah richtig, Du kennst den Namen noch nicht. Ich habe ihn neulich

dem wir kaum zwei Monate verheirathet waren? Sage selbst, Leo, war beim Pilzesuchen gefunden. Weisst Du, was ein Ameisenlöwe ist? Eine

es recht von Papa, das zu verlangen? Würdest Du es gethan haben? faule, gemeine Bestie! Gräbt sich an einer recht behaglichen, sonnigen

wenn Du Deinen Mann so recht, recht lieb hättest?" Stelle ein Loch in den Sand und legt sich darin auf die Lauer. Sobald

Leo schleuderte nun auch den anderen Zopf in den Nacken. nun eine fleissige, arglose, niedliche Ameise herankommt, schmeisst er ihr

„Ich?" stiess sie grimmig heraus. „Kann mir gar nicht passiren! — Sand in die Augen, dass sie blind wird und in das Loch herabrutscht.

Liebe? Damit ist's gerade, wie mit Euren feinen Kleidern: nur gut für Nachher, wenn sie sich dann bis zur Erschöpfung abgekrabbelt hat, um

geheizte Salons! Wenn sie alt geworden sind, kriegt

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sie der Trödler! Ich danke! Aber trotzdem, ob das

recht war von Papa? Ich sage, es war ..."

Sie sagte nicht, was es war. Sie riss ihre beiden
langen, braunen Zöpfe wieder nach vorn, klemmte
sich das Ende des einen zwischen die Zähne und
wickelte sich den anderen um den Hals, bis sie ganz
roth im Gesicht geworden war. Wie jedesmal, wenn
sie eines ihrer Kraftworte zurückdrängen wollte.

Dann sah sie Otti an und bemerkte nun erst, wie
schmal das geliebte Gesichtchen da in der langen Zeit
der Trennung geworden und welch' ein fremder Aus-
druck herber Sorge in die grossen blauen Augen ge-
kommen war. Und diese Augen . . .

„Raff Dein Kleid auf, Mädel!" brummte sie plötz-
lich wie wüthend und zog die Willenlose im Sturni-
schritt mit sich fort zum Hühnerhause, das neben dem
Kuhstall lag. „Ich soll zwar nicht hineingehen", fuhr
sie in einer seltsam polternden Hast fort, „weil er zu
Mia's Domäne gehört und die Hühner meine Stimme
nicht sympathisch finden. Da! Randaliren sie nicht,
als wenn der Fuchs unter ihnen wäre? Auf Mia's
Eierconto wird heut' Abend ein halbes Dutzend fehlen,
das Papa ihr natürlich vom Lohn abziehen wird. Na,
ich werde 's ihr bezahlen! Denn es ist der einzige
Ort hier, wo wir ungestört sind, — ruhig, ihr Wasch-
weiber! — und darum — genire Dich nicht, Mädel!
Hier sieht's Niemand und ..."

Und Otti genirte sich nicht und weinte. Und Leo
wandte sich schroff von ihr ab zur Wand und nahm
mechanisch ein Ei aus dem nächsten Neste.

„Noch ganz warm!" sagte sie mit merkwürdig
rauher Stimme. „Sie sind höllisch gross in diesem
Jahre — die Eier! Ja und . . . trinkst Du sie noch so
gern roh, Otti? Soll ich Dir . . eins . . aufschlagen?"

„Oh Leo!" schluchzte Otti vorwurfsvoll. „Glaubst
Du wirklich, dass ich jetzt an . . an Eier denken
könnte?"

Leo erwiderte nichts. Aber das Ei klatschte plötz-
lich gegen die Wand. Und dann standen die Beiden
eine lange Zeit Rücken an Rücken und weinten . .
weinten . .

Bis Leo ärgerlich lachend auffuhr.

„Unsinn! Weshalb heulen wir eigentlich? Keine
Ahnung! Und deshalb — hinaus!" Sie öffnete die
Thür und stiess Otti mit einem Puff ins Freie. „Mia
soll uns einen echten deutschen Kaffee brauen und ich
werde die Sahne dazu spendiren. Mehr, als sie be-
zahlen, kann ich ja nicht! Also . . ."

.... „eine Rathertheilung — fünf Mark: aul praktische Weise erspart.4
IX. 1. II- Zu ^t'n Artikel „Unsere Rcelitsainv.;lte."
 
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