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jjrfrühlinq in llizza.
Von Ludwig Hevesi.
^^Yühling, das ist in Nizza ein sehr elastisches Wort. Wenn man den das Alles ist Frühling. Man riecht ihn aus Allein heraus, als lägen seidene
Pensionsbesitzerinnen glaubt, deren Berufes ist, die einnehmenden Hon- Parfümsäckehen unter den Pflastersteinen, in den Gabelungen der Aeste, auf den
£ neurs der Stadt zu machen, so ist December der Vorfrühling. Januar der Balkons der Häuser. Ganz Nizza ist ein solches Sachet. Und diese Frühlings-
Frühling, Februar der Hochfrühling, März der Spätfrühling, April der Nach- sonne, die kein Ende nehmen will! Sie spendet so manchen Lungenkatarrh,
frühling und Mai — der ewige Frühling. Und, Hand auf's Herz (das dicht unter der stolz in das nordische Heim mitgenommen wird, als purpurnes, auf lange
der Brieftasche pocht I), sie haben Recht. Man mag sich noch so gerupft fühlen, Zeit hinaus thaufrisches Gastgeschenk des seligen Südens. Wer praktisch ist,
geht daher vor Allem unter die Arkaden der Place Massena. wo
er einen Optikcrladen finden wird, mit der provinznaiven Auf-
schrift: „au tresor de la vue". Dort wird er eine recht schwarze
Brille kaufen und sich bei dieser kleinen Privat-Sonnenfinsterniss
ganz wohl befinden. Aber die Nizzafahrer sind ja nicht praktisch,
sonst würden sie schon, wenn sie sich vom Bahnhofe nach der
Stadt begeben, im weissen Marmorpalast des Credit Lyonnais
vorsprechen, der gewiss nicht ohne guten Grund gleich an der
Avenue de la Gare steht. Dort kann man sich tüchtig mit Baar-
mitteln versorgen, ohne die der Frühling von Nizza viel von
seinem Glänze verliert. Auch würden praktische Leute, wenn
sie auf der Place Massc;na von den Kutschern 'der niedlichen
Korbwägelchen mit den weissen, rothbetroddelten Zeltdächern
angerufen werden: „Herr Graf, nach Cimies!" . . . „nach St. Andre,
Herr Graf!" u. s. f. — sie würden, sage ich, stets nach Adolphe
fragen. Adolphe ist nämlich ein Pathenkind der Pächterin der
Grotte St. Andre, und wer mit ihm gefahren kommt, braucht die
50 Centimes für die berühmte kleine Drahtbrücke nicht zu be-
zahlen: das ist eine besondere Vergünstigung, durch welche die
wackere Dame das Fahrgeschäft ihres Pathen heben will, der
sich dafür allerdings um I Franc mehr bezahlen lässt. So kann
ein Tourist, der sein Nizza kennt, mancherlei
Ersparnisse machen.
■_>t| ■ Glücklicherweise bin ich steinreich, und
fcf 'Jk der liebe Leser auch: wir dürfen uns den
j^J^ | Iii Frühling gönnen, ganz wie er im ersten
Fj8^E?*562 Aufzug von Sardou's „Dora" inscenirt ist.
Warum sollten wir nicht
—__ mit einem roth geschirr-
I ten weissen Maulthier-
'/ } gespann vom Bahnhot
%% y .... nach dem „Metropoli-
•-• tain" fahren? Ach, wir
fraaMjj ^jjß^"^71- haben dieses Haus noch
^M^^BW^ "^JK^^^BÄ*^ a's gemüthliches Hotel
IhL ,'.vV'' dJEdl?' Chauvin gekannt und in
'WKJBKE^mm •• dessen oberstem Stork
gewohnt, wie Fürsten.
Diesen Chauvinismus
Hessen sich damals na-
mentlich die Deutschen
H (UH lWjflK|^^|jj|HPr^ ' 'Ij gcrn gefallen. Da unten
Hj! ^' % i'BBB^ HBfc.W*^* '" se'nem Square stand
I'4 '4 III l f iLhHÄr1 ' Ii? ; vor nns der gute l.n.n-
,VJ'f''.:;: W^-WWi. f I' H l * ' 'j zene Feldherr Massena,
l'l^llV ii wKhm^VW »'Ä^BL 1 <i< — ' ii N.iinc am S...-k<-l
\}\ Fi | i A -ij in der Nacht nach der
!■ K'Jpffiiibfflfflfcr x{ Aufführung des „Königs
' ifcifc^^^^^ Die Aufregung
""^ i * ■ über diese politischen
Umwälzungen war nicht
gross, denn fieberische
Zustände können hier,
C, ;<%VM-''Oj? ■>'('. wo die Bürgersteige mit
Eucalyptus globulus, dem
Strasse in Alt-Nizza. Originalzeichnung von E. Rosenstand.
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jjrfrühlinq in llizza.
Von Ludwig Hevesi.
^^Yühling, das ist in Nizza ein sehr elastisches Wort. Wenn man den das Alles ist Frühling. Man riecht ihn aus Allein heraus, als lägen seidene
Pensionsbesitzerinnen glaubt, deren Berufes ist, die einnehmenden Hon- Parfümsäckehen unter den Pflastersteinen, in den Gabelungen der Aeste, auf den
£ neurs der Stadt zu machen, so ist December der Vorfrühling. Januar der Balkons der Häuser. Ganz Nizza ist ein solches Sachet. Und diese Frühlings-
Frühling, Februar der Hochfrühling, März der Spätfrühling, April der Nach- sonne, die kein Ende nehmen will! Sie spendet so manchen Lungenkatarrh,
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seinem Glänze verliert. Auch würden praktische Leute, wenn
sie auf der Place Massc;na von den Kutschern 'der niedlichen
Korbwägelchen mit den weissen, rothbetroddelten Zeltdächern
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Grotte St. Andre, und wer mit ihm gefahren kommt, braucht die
50 Centimes für die berühmte kleine Drahtbrücke nicht zu be-
zahlen: das ist eine besondere Vergünstigung, durch welche die
wackere Dame das Fahrgeschäft ihres Pathen heben will, der
sich dafür allerdings um I Franc mehr bezahlen lässt. So kann
ein Tourist, der sein Nizza kennt, mancherlei
Ersparnisse machen.
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Strasse in Alt-Nizza. Originalzeichnung von E. Rosenstand.
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