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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 9.1895

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Reimann, Georg: Unsere Rechtsanwälte, [2]
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Schumacher, Heinrich Vollrat: Das Hungerloos, [9]: humoristischer Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.19627#0218

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MODERNE KUNST.

Warum so spät? Im Anwalts-Bureau.

ill^^""^ W' nach Brod für sich und Der Rechtsanwalt hat mit sichtlicher seelischer Bethciligung gesprochen:
II die beiden Kleinen. manchem sind die Thränen in's Auge getreten unter den Geschworenen und im
Aber von Woche zu Publikum. Und wenn er auch für keine andere Strafe hat plaidiren können.
Woche ist's schwerer als das Gesetz sie vorschreibt, so weiss doch Jedermann im Saal, dass sein
geworden; wie oft hat sie Wunsch, es möge der Gnadenweg beschritten werden, nicht ungehört ver-
vergeblich angeklopft! hallen wird. Als die Geschworenen sich zurückgezogen haben, läuft auch schon
achsclzuckend hat man das Gerücht durch die Reihen des Publikums, der Staatsanwalt selbst wolle ein
sie fortgewiesen —; ja, wenn man ihr eine Kleinigkeit schenken könnte... Gnadengesuch einreichen.

Aber betteln wollte sie nicht. Nun hat sie gehungert, zuerst allein, dann mit Eine bange Viertelstunde vergeht. Dann treten die Geschworenen wieder

den Kindern zusammen, und allmählich ist die Verzweiflung über sie gekommen. ein und sprechen ihr „Schuldig". Die Richter schreiten in's Berathungszimmer.

Am Weihnachts-Heiligabend ist's gewesen, da hat sie's nicht mehr mitanschen Schon nach drei Minuten kommen sie zurück, treten an ihre Plätze und setzen

können. Die Kinder baten um Essen und weinten, als die Mutter sagte, dass die Baretts auf. Staatsanwalt und Vertheidiger sehen finster drein. Der Präsident

sie nichts geben könne. Und da ist sie plötzlich aufgesprungen, zur Nachbarin verkündet das Urtheil: „mit dem Tode bestraft". Die Angeklagte jammert laut

gegangen und hat sich 60 Pfennig geliehen. Dafür hat sie Kohlen gekauft und auf — hinter den Schranken entsteht Murren und Bewegung. Der Vertheidiger

Kaffee und Zucker und ein paar alte Semmeln. Dann hat sie zu Hause tüchtig den beugt sich über die Verurtheilte und spricht zu ihr. Es vergehen ein paar Minuten:

Ofen geheizt und während es recht mollig warm wurde in der Stube, haben die man hört nur das unterdrückte Schluchzen. Dann führt der graubärtige Schliesser

Kleinen sich's wohlschmecken lassen. Nachdem auch das letzte Krümchen verputzt sie leise hinaus. Der Rechtsanwalt packt seine Acten zusammen und will eben

war, hat die Mutter sie sauber angezogen, gekämmt und ihnen ein paar alte rothe den Saal verlassen; da tritt einer der Boten zu ihm und händigt ihm ein Couvert

Cändchen in's Haar gebunden. Dann hat sie die Ofenthüre geöffnet und in Kleidern ein; ein Zettel daneben besagt: 300 Mark als Ertrag einer soeben unter den Ge-

sich selbst aufs Bett gelegt, rechts und links eins von den Kindern im Arm. — schworenen veranstalteten Sammlung für Ihre Mandantin"

as Ipungcrloos.

Humoristischer Roman von Heinrich Vollrat Schumacher.

[Fortsetzung.] [Nachdruck verboten.]

J^lia sah erstaunt auf. »Ah, Leo! Das ist schön, dass Du hier bist! Da kann ich Sie gleich

„Birnen?" mit ihr bekannt machen, verehrter Freund. Herr Anton Wichers — meine

„Ja, ja; auf dem neuen, silbernen Präscntirtellcr! Die alten Völker Tochter Leonore!"
trugen den Königen, ihren Besiegcrn, Brot und Salz entgegen. Herr Leo war aufgestanden und hatte eine tiefe Verbeugung gemacht mit

Anton Wichers ist ein moderner König, ein König des Mammons. Eine züchtig gesenkten Augen. Nun erhob sie dieselben ein wenig, bis zu dem

saftige Birne wird ihm lieber sein; es ist auch vornehmer!" Monocle in der Hand des vor ihr Stehenden und gleichzeitig hob sie auch

Ihre Augen blitzten dabei und ihre Lippen zuckten. Eine Minute später den Präsentirteller mit den drei Birnen,
sass sie steif aufrecht im Plüschsessel und hielt den Präsentirteller mit den „Eine gefällig? Sie kennen die Sorte ja wohl schon. Sehr saftig,

drei Birnen in der Hand, bis die Stimme ihres Vaters hinter ihr laut wurde. nicht wahr?"
 
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