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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 9.1895

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Schumacher, Heinrich Vollrat: Das Hungerloos, [5]: humoristischer Roman
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Dincklage-Campe, Friedrich von: Diner der Generale am Neujahrstage
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https://doi.org/10.11588/diglit.19627#0163

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MODERNE KUNST.

hängte ihn an den Pumpenhaken. Dann pumpte er mit fieberhafter An-
strengung, pumpte . . . pumpte . . .

Und während er pumpte, sah er nicht, wie Otti und Leo mit Wasch-
schüssel, Wasserflasche und Handtuch aus dem Hause zurückkehrten.

Bis Frau Amalie rief:

„Oh, Winand, sie erwacht! Sie schlägt die Augen auf!"
Er stürzte mit dem Feuereimer zu ihr hin.
„Wasser? Hier ist Wasser!"

Frau Amalie sah den Eimer an und dann sah sie ihren Gatten an.
Und diesmal lächelte sie wirklich.

„Aber, Winand!" sagte sie sanft. „Du weisst doch . . . der Eimer
hat doch . . ."

Herr von Rocholl schaute hinein. Gleich darauf flog der Eimer weit
hinweg über den Hof.

Seit Menschengedenken hatte es auf Rochollshof nicht gebrannt. Und
der Feuereimer hatte statt des Bodens ein Loch.

Gegen Abend hatte sich ein starker Wind erhoben, der schwarze,
regenschwüle Wolken aus den Ecken des Firmaments zusammenfegte.
Die Luft war heiss und schwer und am dunklen Horizont leuchtete es
zuweilen blitzartig auf und grollte dumpf wie Donner. Ein Gewitter nahte.

Trotz der guten Weine des alten Wichers und trotz der hochwichtigen
Verhandlung mit demselben war Herr von Rocholl daher früher als ge-
wöhnlich aufgebrochen und fuhr bereits kurz nach zehn Uhr auf den
Rochollshof ein. Gerade als der Wind sich zu brausendem Sturm aufblähte.

Herr von Rocholl brachte Wagen und Pferd unter und schickte sich
dann an, zum Herrenhause hinüberzugehen, in dem bereits alle Lichter
erloschen waren. In der Mitte des Weges blieb er plötzlich stehen. Ein
kreischendes Knarren, gefolgt von einem krachenden Knall war durch das
Sausen des Sturmes, das Rollen des Donners und das Plätschern des
Regens an sein Ohr gedrungen.

„Am Getreidespeicher ist's!" brummte er ärgerlich vor sich hin.
„Natürlich hat der Kerl, der Nachtwächter, die Fenster und Laden wieder
nicht nachgesehen und nun schlägt sie mir der Sturm in Stücke. —
Panske!" schrie er in den Tumult hinein, „Panske!"

Panske antwortete nicht.

„Na ja," suchte Herr von Rocholl sich selbst zu beruhigen, „schwer-
hörig, wie er ist, halb lahm und furchtsam wie ein Hase — ein Muster-
nachtwächter! Wenn er nicht gewissermaassen zum Inventar von Rocholls-
hof gehörte, ich hätte ihn schon längst — aber bei Gott, morgen fliegt
er! Jawohl, er fliegt!"

Er lächelte über sich selbst. Panske war schon oft geflogen und
jedesmal von Herrn von Rocholl zurückgeholt worden. War's nur ge-
schehen, weil er seines Alters wegen keinen Lohn mehr erhielt?

„Seltsam nur, dass der Hund, der Rolf, sich nicht meldet, wie sonst
immer!" knurrte Herr von Rocholl dann wieder ärgerlich und steuerte
gegen den Wind auf die grosse Hundehütte los, zu deren dunkler Oeff-
nung er sich hinabbeugte.

„Alle guten Geister!" schrie Panske's Stimme entsetzt in der Tiefe.
,Abracadabra! Belle nicht, Rolfchen, um Gotteswillen, belle nicht! Weiche
von hinnen, verfluchter Geist. Im Namen des . . ."

Herr von Rocholl schlug zornig auf das Bretterdach der Hütte.

„Zum Henker, Mensch, bist Du verrückt? Ich bin's ja! Wirst Du
gleich herauskommen?"

Der Nachtwächter seufzte drinnen tief auf. Aber er rührte sich nicht.

„Sind Sie's auch wirklich gnädiger Herr?" fragte er zitternd. „Die
Geister foppen die Menschen gern. Können Sie ,Abracadabra' sagen?
Böse Geister können's nicht, sagt Fräulein Leo!"

Herr von Rocholl musste lachen.

„Meinetwegen!" rief er zurück. „Abracadabra! Bist Du nun be-
ruhigt?"

Aus der Hütte kam ein erleichterter Athemzug. [Fortsetzung foigt.j

hier der ßenerale am Beujahr^tage.

Von Hans Nagel von Brawe.

lljährlich — um die Neujahrszeit vereinigt sich im weltberühmten stand er bekanntlich als Gcneralstabschef an der Seite der Commandirenden

Dressel'schen Restaurant „Unter den Linden" eine Gesellschaft zu der 2. Armee — des verewigten Kaiser Friedrich. Auch im Jahre 70/71

zwanglosem Diner, wie sie kaum jemals an einem anderen Orte der Welt fungirte er als Generalstabschef bei dem damaligen Kronprinzen, und die

in dieser Zusammensetzung getagt hat, — noch je versammelt sein wird. Siege von Weissenburg und Wörth können nicht genannt werden, ohne

Für eine Reihe von illustren Gästen wird in dem eleganten Speise- neben dem heldenmüthigen Sieger auch des klugen Berathers zu gedenken,
saale der breite Tisch gedeckt — diesmal unter des Wirthes eigener Auf- Eine hohe magere Gestalt tritt soeben heran an den Feldmarschall,

sieht. Auch im äusseren Aufputze, in der eleganten Art des „nicht zu Der ausrasirte weisse Bart, die vornehme Haltung des Kopfes, aus dem

viel und nicht zu wenig" versteht es der Restaurateur par excellence, der ein Paar noch immer unheimlich strenge Augen hervorblicken, erinnern

hohen Stellung und dem Geschmacke der Herren Rechnung zu tragen, an die stramme Form, mit welcher seinerzeit der alte Gardeofficier und

die hier zusammenkommen, Männer, deren Händen des Kaisers Majestät im Dienste Sr. Majestät unermüdlich thätige Soldat seine Armeecorps, —

die Führung seines Kriegsheeres anvertraute. — Die commandirenden das 5. und dann das Gardecorps — für den Ernst des Krieges vorbereitete.

Generale sind es, die Commandeure des deutschen Armeecorps, die all- Es ist der Oberbefehlshaber in den Marken, Generaloberst von Pape, der

jährlich zum Jahreswechsel, nachdem sie dem obersten Kriegsherrn die sich mit dem Feldmarschall herzlich die Hand schüttelt. Jetzt gesellt sich

Glückwünsche der ganzen Armee darbrachten, einige Stunden im kamerad- zu den beiden ein dritter Herr. Formen und Haltung erinnern an den

schaftlichen Zusammensein verbringen, ehe sie sich wieder zerstreuen Hofmann. Er ist es auch, denn Generaloberst Freiherr von Loe, der

nach allen Richtungen der Windrose. Flügeladjutant Sr. Majestät und Commandirender des 8. Armee-Corps, hat

Es ist ein Viertel vor Sieben. Eben hat der Wirth die elektrischen in manchem schwierigen Auftrage Gelegenheit gehabt, zu beweisen, dass

Lampen erstrahlen, die Candelaber auf der im Silberglanze funkelnden ein bewährter Heerführer auch ein vortrefflicher Vermittler in diplomatischen

Tafel anzünden lassen. Und schon erscheinen die ersten Gäste, — etwa Fragen sein kann.

auf 30 ist gerechnet —, legen im Vorzimmer die hellgrauen, rothgefütterten Die Gesellschaft hat sich inzwischen mit militärischer Präcision ver-
Mäntel ab und betreten den behaglich erwärmten Saal. sammelt, und in froher Stimmung verläuft das Diner. In zündenden kurzen
Bewährte und allbekannte Schlachtenlenker sind darunter. Der alte Worten hat der Feldmarschall Blumenthal das „Hoch" auf den Kaiser aus-
Herr, von nicht allzugrosser Gestalt, mit dem schneeweissen Kopfe, dem gebracht, und endlich — ist man bei Kaffee, Cigarren und zwangloser
weissen Vollbarte, den ausdrucksvollen, markirten Zügen und den — trotz Unterhaltung angekommen.

der 84 Jahre — immer noch feurig strahlenden Augen, das ist der Nestor Die Saalthür blieb offen stehen und gestattet auch dem Unberufenen,

der preussischen Armee, der General-Feldmarschall Graf von Blumenthal. einen Blick auf die Männer zu werfen, die auf der so schwer zu erklimmenden

Schon im Feldzuge 64 fungirte er als Chef des Generalstabes des Leiter militärischer Ehren die höchsten Sprossen erreichten,
combinirten Armeecorps in Schleswig, und während des Krieges in Böhmen Da richtet sich zuerst das Auge auf die reckenhafte, jugendkräftige
 
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