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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 9.1895

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Hirschfeld, Max: Ehestandsscene im Atelier
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https://doi.org/10.11588/diglit.19627#0127

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36

hestandsscene im «telier.

Von Max Hirschfeld.

[Nachdruck verboten.]

(Er sitzt vor einem Tische, auf welchem ein Skizzenbuch liegt, nagt an einem Zeichenstift Sie: Was Solls?

und schielt nach seiner Frau, welche am Fenster sitzt, mit einer Stickerei beschäftigt.) ],' ,• • jrs Wai" nicht SO böSC o'Cnicint

Er: Du könntest mir so schön helfen, Lucy! Sie: Damit lassen Deine hasslichen Worte sich nicht wieder gut

Sie: Du weisst, ich sitze nicht gern Modell, aber ich kann es ja machen1,
nicht hindern, wenn Du mich zeichnen willst. E r : Iis war Unrecht von mir, ich bitte Dich um Verzeihung.

Er: Das allein thuts nicht, liebes Kind, Du musst eine recht grimmige Sie (kalt): Nein, es ist besser, ich gehe und mache — Fräulein

Miene machen, so als ob--— von Schnitzel Platz.

Sie (ironisch): Wieviel zahlst Du denn für die Stunde? Er: Sprich mir nicht von dieser Vogelscheuche. Man muss doch

Er: Du willst nicht! Scherz verstehen.

Sie: Nein, nein, nein! Sie: Und alles andere war auch Sch

erz

Er (nach einer Pause, langsam): Es giebt Frauen, welche dem Mann eine Er: Wenigstens unüberlegt. Du weisst, in der ersten Aufwallung sage

Stütze sind, aber Du — hm! hm! Wenn ich das alles vor einem Jahre ge- ich manches, was ich später nicht verantworten kann. ^obwohl sie wider-

WUSSt hätte — strebt, umarmt er sie

Sie: Dann hat- | : &», und drückt einen Kuss

auf ihre Wange.)

Sie: Du ver-
sprichst mir —
E r: Alles.

. . .. ...... - Sie: Solche

Sie (heftiK stik- Sgl f'lfÄ;'- i,r hasslichen Scenen

kend): Das soll doch y^V^» WSgE lif werden nicht mehr

test Du mich nicht
geheirathet, wie?

E r : Allerdings
nicht.

wohl nur ein Scherz
sein. Wer hat denn

als bis sein Flehen

während ich nur zu-

vorkommen?

Er: Nie mehr.

nicht eher geruht, ^R^IB^K^^^l»!':—1 ÜHltL. $ S i

. e (hält ihre
Hand hin, welche er

erhört wurde? War j^JHfj / inbrünstig küsst).

ich das etwa? |HHn^^kflHH^^S^4X& ,,• -jß' / 4«\ r nun

Er: So schlimm [^W^M^^^^HM^RjBP^Si'* -"""jl^W nü/Mu j™^|B^B5^L^BiBB?^>'^ m'r w'edcr

war es doch cigent- 9^He^ .

^^^P^BBg^^^S^^ liebes Gesicht,

freilich blind genug ?. 'U^Rp.§? 2§ Sie (wohl cm.:.

um Dich zu werben, VUV-^c^Sw^fe"^ aber nicht mehr böse)

Später. (Sie setzt sich
wieder an's Fenster und

zugreifen brauchte, H. Corrodi. Ave Maria. nimmt ihre Arbeit auf.)

um das Fräulein von Schnitzel heimzuführen. Er (einen. Hundcrtguldenschein aus der Tasche nehmend und emporhaltendi: Sieh

Sie (die Stickerei bei Seite schiebend und sich erhebend): Die alte hässliche einmal!

Coquette? Sie (freudig): Ach, Hans!

Er: Nicht so sehr alt und nicht so sehr hässlich, aberreich, sehr reich. Er: Ja, den erhielt ich heute Morgen für eine Arbeit, die ich vor
Sie: Pfui, Hans, das ist taktlos, im höchsten Grade taktlos. Du mehreren Wochen eingereicht hatte. Dafür wollen wir heute unsern Hoch-
wirfst mir indirect meine geringe Mitgift vor. Das würden wir garnicht zeitstag feiern.

merken, wenn Du mehr verdientest-- Sie: Unser Hochzeitstag ist ja erst im nächsten Monat, am 12. Mai.

Er: Das war wieder von Dir taktlos. Er: Und heute ist der 12. April, feiern wir also unsern elfmonatlichen

Sie: Natürlich, wenn ich die Wahrheit spreche, die Du nicht ver- Hochzeitstag. Wir gehen in ein feines Restaurant diniren —

tragen kannst, so ist das taktlos, aber Recht habe ich doch. Es geht Sic: Dann in die Conditorei —

knapp bei uns her, sehr knapp. Er: Abends ins Theater, in die Oper!

E r : Das ist nicht meine Schuld, mein Verdienst ist immer noch Sehr Sie: Ich hätte aber doch noch einige kleinere Wünsche —

anständig. Ich arbeite für die besten illustrirten Zeitschriften und meine E r : Sprich nur, ich kauf Dir alles.

Arbeiten werden überall gern aeeeptirt. Ja, aber wenn man gar keine Sie: Ich brauche schon lange einen neuen Hut, im Schaufenster bei

Ahnung von der Wirthschaft hat, wie Du, wenn man so das Hauswesen der Kronau habe ich so einen reizenden — rosa und schwarz — __ _

vernachlässigt, wenn man nur Sinn für Putz und Tand hat-- (Sie setzt ihm mit strahlendem Gesicht alle ihre Wunsche weitläufig auseinander, während

Sie: Das sagst Du mir, mir? (Sic sinkt schluchzend auf den Stuhl und presst er sich wieder mit seiner Zeichnung beschäftigt, nur ab und zu aufsieht und nickt. Endlich

ihr Taschentuch vor's Gesicht ) erhebt er sich, nimmt zwei Skizzen vom Tisch und zeigt sie ihr.

Er (wird ängstlich, wirft einen sehr liebevollen Blick zu ihr herüber und wendet Sie (verblüfft): Das _ bin _ ich —

sich ab, sobald sie das Taschentuch vom Gesicht nimmt). E r : Beide Male. Das eine Mal als „Hausdrachen", das andere Mal

S i e (rasch ihre Thränen trocknend und aufspringend), Ich hätte keine Ahnung

von

als' „Hausengel". Es sind Pendants.

der Wirthschaft? Hast Du mich nicht immer gelobt, wie gut ich gie; Die Scenen, die Du mit mir aufführtest, waren also nur__

alles zusammenzuhalten verstände? Ich Putz und Tand? Solange wir £ ,.. Comodie) mein Engcl, Comödie! Im Ernst hätte ich Dich gar-

verheirathet sind, habe ich mir nur ein einziges neues Kleid gekauft - go betr0ben könlien. Aber in der ganzen Welt hätte ich so schöne
(In diesem Tone fährt sie fort, sich zu vertheidigen. Die Blitze, welche aus ihren Augen Modelle nicht aufgetrieben

schiessen, würden ihren Gatten gänzlich zerschmettern, wenn dieser es nicht vorzöge, sich ö n ..Lt. Li ti

. . ' . u . .... , . . . , . _,. , , . Sie (schmollend): Das war recht schlecht, Hans —-

mit seiner Zeichnung zu beschäftigen und nur ab und zu einen mischenden lilick aul seine
Frau zu werfen. Sie droht zur Mutter zu gehen und nie wicdci zukommen. Schon legt sie die

Kr (ihr die Banknote in die Hand drückend): Nun wollen wir gehen.

Hand auf den Thürdrücker, als der Mann sich umdreht und mit sanfter Stimme sagt: „Lucy!") S i e (etwas freundlich): Meinetwegen denn!
 
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