J3eim 5cVicteri aus dem alten Tjeim.
Äorlamcnt6-Ocbäude6.
Mit Originalzeichnungen
von F.. Henselcr und E. Thiel.
2ur Eile mahnten. Ueberhaupt ward er nicht immer mit der dem Porzellan
gebührenden Behutsamkeit behandelt und hat sich auch mitunter etwas
Von Albert Traeger. zerbrechlich erwiesen, im Allgemeinen aber dem Herkommen der Oert-
——^------- lichkeit Rechnung getragen und sich bemüht, als ansehnlicher und brauch-
end nun ist alles still — ausgeläutet hat die Glocke, die zum Leben barer Tafelaufsatz zu dienen. Jetzt hat er endlich dem Porzellan den
rief, die Blitze beschwor, auch manchen Todten beklagte, und deren Rücken gekehrt, die Scherbenstätte verlassen und im Schatten der Sieges-
Klang nicht immer Frieden bedeutete: kein Beifallssturm und tosendes säule sein dauernd Heim bezogen, ist also gewissermaassen zur Stelle
Zischen, kein Ausbruch der Heiterkeit, kein zorniger Aufschrei mehr; leer, seines Ursprungs zurückgekehrt. Da steht er, die Krönung des Jahrhunderte
alles öde und leer, kein nachdenklicher Schritt, kein eilender F uss durch- langen Ringens eines Volkes, das aus der Zersplitterung zur Einheit strebte
misst mehr den Wandelgang, kein Mann aus dem Volke, kein schmach- und unter kraftvollen Führern nach langem blutigem Kampf die frohe
tendes Augenpaar harrt mehr am Eingange des erlösenden Führers; leer Hoffnung auf friedliche Entwickelung vor sich sieht. Möge ihm der Platz
auch die Flaschen und Gläser, mancher Begeisterung Quelle, der Ermatteten abseits vom Lärm des Tages, vom stillen Grün des Thiergartens um-
Stärkung, der Trost dem Augenblick der Entscheidung entgegen harrender schattet, eine gute Vorbedeutung sein! Ohne Kampf und Streit wird es
Ungeduld. Allüberall tiefer Schlaf, den ke ine Rede verursacht hat und auch hier nicht abgehen, aber die Erinnerung an das Errungene wird
keine mehr stören wird. „Was wohl im Schlaf für Träume kommen mildernd wirken auf die Personen und die Parteien.
mögen?" Vielleicht wüthet die Schlacht der unsichtbaren Geister fort, Dreiundzwanzig Jahre, ein Menschenalter fast, von einem Abgeord-
steigen empor die Schatten der ungehaltenen Reden, drängen sich neten- oder gar Ministeralter überhaupt nicht zu reden, sogar das Durch-
herbei die verspäteten Gedanken, suchend irren die Vordersätze umher, schnittsalter des Porzellans ist weit höher. Wie oft in dieser Zeit hat er
die niemals den Nachsatz gefunden, und zu gespenstischem Reigen ver- nicht die Gesichter und das Gesicht gewechselt, der deutsche Reichstag,
schlingt sich alles, was abgestrichen und begraben worden. Nicht lange in wie viel Färbungen haben sich die Grundfarben abschattirt, welche
währen wird der Spuk, ein schnelles Ende bereitet ihm die letzte Auf- Fülle neuer Stich- und Losungsworte ist in heftiger stets entbrennenden
lösung, der Abbruch. Ueber dreiundzwanzig Jahre hat der deutsche Kämpfen laut geworden, welche Fluth von Streitpunkten hat die alten
Reichstag in der alten Porzellanmanufactur ausgehalten, war es doch nur Unterschiede fast hinweggespült, das festzustellen, dürfte unmöglich sein,
ein vorläufiges Unterkommen. Das Gebäude schien ungeduldiger, als er mit Sicherheit aber lässt sich behaupten, dass drinnen weit mehr Haare
selbst und bedrohte zuweilen die ehrwürdigen Häupter mit Einfällen, die gelassen, als jemals hinein gebracht worden. Auch der Bundesrath, der
IX. 5.1. M.
Äorlamcnt6-Ocbäude6.
Mit Originalzeichnungen
von F.. Henselcr und E. Thiel.
2ur Eile mahnten. Ueberhaupt ward er nicht immer mit der dem Porzellan
gebührenden Behutsamkeit behandelt und hat sich auch mitunter etwas
Von Albert Traeger. zerbrechlich erwiesen, im Allgemeinen aber dem Herkommen der Oert-
——^------- lichkeit Rechnung getragen und sich bemüht, als ansehnlicher und brauch-
end nun ist alles still — ausgeläutet hat die Glocke, die zum Leben barer Tafelaufsatz zu dienen. Jetzt hat er endlich dem Porzellan den
rief, die Blitze beschwor, auch manchen Todten beklagte, und deren Rücken gekehrt, die Scherbenstätte verlassen und im Schatten der Sieges-
Klang nicht immer Frieden bedeutete: kein Beifallssturm und tosendes säule sein dauernd Heim bezogen, ist also gewissermaassen zur Stelle
Zischen, kein Ausbruch der Heiterkeit, kein zorniger Aufschrei mehr; leer, seines Ursprungs zurückgekehrt. Da steht er, die Krönung des Jahrhunderte
alles öde und leer, kein nachdenklicher Schritt, kein eilender F uss durch- langen Ringens eines Volkes, das aus der Zersplitterung zur Einheit strebte
misst mehr den Wandelgang, kein Mann aus dem Volke, kein schmach- und unter kraftvollen Führern nach langem blutigem Kampf die frohe
tendes Augenpaar harrt mehr am Eingange des erlösenden Führers; leer Hoffnung auf friedliche Entwickelung vor sich sieht. Möge ihm der Platz
auch die Flaschen und Gläser, mancher Begeisterung Quelle, der Ermatteten abseits vom Lärm des Tages, vom stillen Grün des Thiergartens um-
Stärkung, der Trost dem Augenblick der Entscheidung entgegen harrender schattet, eine gute Vorbedeutung sein! Ohne Kampf und Streit wird es
Ungeduld. Allüberall tiefer Schlaf, den ke ine Rede verursacht hat und auch hier nicht abgehen, aber die Erinnerung an das Errungene wird
keine mehr stören wird. „Was wohl im Schlaf für Träume kommen mildernd wirken auf die Personen und die Parteien.
mögen?" Vielleicht wüthet die Schlacht der unsichtbaren Geister fort, Dreiundzwanzig Jahre, ein Menschenalter fast, von einem Abgeord-
steigen empor die Schatten der ungehaltenen Reden, drängen sich neten- oder gar Ministeralter überhaupt nicht zu reden, sogar das Durch-
herbei die verspäteten Gedanken, suchend irren die Vordersätze umher, schnittsalter des Porzellans ist weit höher. Wie oft in dieser Zeit hat er
die niemals den Nachsatz gefunden, und zu gespenstischem Reigen ver- nicht die Gesichter und das Gesicht gewechselt, der deutsche Reichstag,
schlingt sich alles, was abgestrichen und begraben worden. Nicht lange in wie viel Färbungen haben sich die Grundfarben abschattirt, welche
währen wird der Spuk, ein schnelles Ende bereitet ihm die letzte Auf- Fülle neuer Stich- und Losungsworte ist in heftiger stets entbrennenden
lösung, der Abbruch. Ueber dreiundzwanzig Jahre hat der deutsche Kämpfen laut geworden, welche Fluth von Streitpunkten hat die alten
Reichstag in der alten Porzellanmanufactur ausgehalten, war es doch nur Unterschiede fast hinweggespült, das festzustellen, dürfte unmöglich sein,
ein vorläufiges Unterkommen. Das Gebäude schien ungeduldiger, als er mit Sicherheit aber lässt sich behaupten, dass drinnen weit mehr Haare
selbst und bedrohte zuweilen die ehrwürdigen Häupter mit Einfällen, die gelassen, als jemals hinein gebracht worden. Auch der Bundesrath, der
IX. 5.1. M.