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MODERNE KUNST.
über schlechte Zeiten zu
klagen haben, sich auszu-
bilden pflegt. Wie gern
habe ich manches Mal
dies Gesicht des Küsters
Schneider gesehen, wenn
er die Taufkanne und das
Becken in mein Maus dem
Herrn Pfarrer nachtrug:
denn es war früher oft
Taufe bei mir oder „Kin-
delbier", wie sie in Meck-
lenburg sagen. Dass es
damit ein Ende genommen
hat. ist mir lieb, weil ich
kein fremdes Küstergesicht
mehr in meinein Hause
sehen mag. unser guter
Schneider aber todt ist.
Scheibler. wie anders
als der Küster Schneider
berührst Du mich ! Und
darf ich Dich immer noch
einfach „Scheibler" und
„Du" nennen, nachdem
Du so hoch auf der Hüh-
nerleiter der Ehren und
Würden emporgeklettert
bist! Du bist Doctor und
Professor, Du wurdest Ge-
heimer Regierungsrath,
nachdem Du das Pulver,
allerdings nur das rauch-
lose, erfunden hattest.
Nun. alles das sei Dir ver-
ziehen, da Du tnitz alledem
Dir ein ehrliches und bie-
deres Herz erhalten hast.
Mögest Du es behalten,
auch wenn Du noch weiter
steigst und Dir etwa auch
noc h das Prädikat „Excellenz" beigelegt wird. Wir werden Dich
doch Deiner wirklichen Verdienste wegen immerhin achten, wie es
auch der Künstler gethan hat, als er Dich auf sein Bild versetzte.
Allerdings legte er dabei einen besonderen Werth auf Dein so
auffällig ehrwürdiges Aussehen. O. wie oft trügt der Schein!
Bei Dir auch. Mimiker Schulz, der Du ein so treuer Stammgast
bei Hausmann wie ein treues Mitglied unserer Bismarckgemeinde
warst, trog der Schein, aber er trog uns auf angenehme Weise. Was
I Hi uns auch vermachtest mit Deiner Kunst, wir behielten Dich
immer als den Menschen, dem jede Verstellung fern war. Und so
bist Du gestorben und bliebst uns erhalten in bestem Augedenken.
Auch das zarte Geschlecht musste natürlich auf Werner s
Bismarckbild vertreten sein, und was lag näher, als dass er sein
eigenes Töchterchen Eva darauf brachte. Von sich selbst musste
er doch abschen aus Bescheidenheit, dass er aber ein Mitglied
seiner Familie, ein so anmuthiges und freundliches noch dazu, an
seiner statt zur Begrüssung des Altreichskanzlers an Ort und
Stelle geschickt hat. ist ihm wohl nicht zu verdenken.
l ud nun ist noch ein Mann da. über den ich auch nichts
sagen kann, da er mir zu nahe steht. Er ist im Profil abgebildet
und sieht mir, wie ich bekennen muss. autfällig ähnlich. Kein
Wunder! Drei Mal hat er bei Fritz Werner im Atelier Modell ge-
standen und sich „auffassen" lassen. Nun, er bekam zwar nicht
Geld dafür, wie ein richtiges Modell es beansprucht, aber doch
ein gutes Glas Wein und wurde freundlich behandelt. Er hat
schon Schlimmeres in dieser Beziehung durchgemacht.
Wir. die wir die Studien und Portraitskizzen zu dem Wcrner -
schen Bismarckbilde darstellen, bilden keinen eigentlichen Verein.
Ein so hoher Festtag aber, wie es der erste April dieses Jahres
ist. führt uns unfehlbar wieder zusammen, und zwar da. wo
immer schon der „Bismarckcult" getrieben worden ist. bei Hein-
rich Haussmann. Da wird am ersten April 1895. das weiss ich
Eine Bismarck-Huldigung in Friedrichsruh. ganz bestimmt, von denen, die das Bismarckbild vereinigt - so-
Originalzeichriung von K. Storch
weit sie noch am Leben sind ein begeistertes Hoch dem Gründer
des Deutschen Reiches dargebracht werden.
MODERNE KUNST.
über schlechte Zeiten zu
klagen haben, sich auszu-
bilden pflegt. Wie gern
habe ich manches Mal
dies Gesicht des Küsters
Schneider gesehen, wenn
er die Taufkanne und das
Becken in mein Maus dem
Herrn Pfarrer nachtrug:
denn es war früher oft
Taufe bei mir oder „Kin-
delbier", wie sie in Meck-
lenburg sagen. Dass es
damit ein Ende genommen
hat. ist mir lieb, weil ich
kein fremdes Küstergesicht
mehr in meinein Hause
sehen mag. unser guter
Schneider aber todt ist.
Scheibler. wie anders
als der Küster Schneider
berührst Du mich ! Und
darf ich Dich immer noch
einfach „Scheibler" und
„Du" nennen, nachdem
Du so hoch auf der Hüh-
nerleiter der Ehren und
Würden emporgeklettert
bist! Du bist Doctor und
Professor, Du wurdest Ge-
heimer Regierungsrath,
nachdem Du das Pulver,
allerdings nur das rauch-
lose, erfunden hattest.
Nun. alles das sei Dir ver-
ziehen, da Du tnitz alledem
Dir ein ehrliches und bie-
deres Herz erhalten hast.
Mögest Du es behalten,
auch wenn Du noch weiter
steigst und Dir etwa auch
noc h das Prädikat „Excellenz" beigelegt wird. Wir werden Dich
doch Deiner wirklichen Verdienste wegen immerhin achten, wie es
auch der Künstler gethan hat, als er Dich auf sein Bild versetzte.
Allerdings legte er dabei einen besonderen Werth auf Dein so
auffällig ehrwürdiges Aussehen. O. wie oft trügt der Schein!
Bei Dir auch. Mimiker Schulz, der Du ein so treuer Stammgast
bei Hausmann wie ein treues Mitglied unserer Bismarckgemeinde
warst, trog der Schein, aber er trog uns auf angenehme Weise. Was
I Hi uns auch vermachtest mit Deiner Kunst, wir behielten Dich
immer als den Menschen, dem jede Verstellung fern war. Und so
bist Du gestorben und bliebst uns erhalten in bestem Augedenken.
Auch das zarte Geschlecht musste natürlich auf Werner s
Bismarckbild vertreten sein, und was lag näher, als dass er sein
eigenes Töchterchen Eva darauf brachte. Von sich selbst musste
er doch abschen aus Bescheidenheit, dass er aber ein Mitglied
seiner Familie, ein so anmuthiges und freundliches noch dazu, an
seiner statt zur Begrüssung des Altreichskanzlers an Ort und
Stelle geschickt hat. ist ihm wohl nicht zu verdenken.
l ud nun ist noch ein Mann da. über den ich auch nichts
sagen kann, da er mir zu nahe steht. Er ist im Profil abgebildet
und sieht mir, wie ich bekennen muss. autfällig ähnlich. Kein
Wunder! Drei Mal hat er bei Fritz Werner im Atelier Modell ge-
standen und sich „auffassen" lassen. Nun, er bekam zwar nicht
Geld dafür, wie ein richtiges Modell es beansprucht, aber doch
ein gutes Glas Wein und wurde freundlich behandelt. Er hat
schon Schlimmeres in dieser Beziehung durchgemacht.
Wir. die wir die Studien und Portraitskizzen zu dem Wcrner -
schen Bismarckbilde darstellen, bilden keinen eigentlichen Verein.
Ein so hoher Festtag aber, wie es der erste April dieses Jahres
ist. führt uns unfehlbar wieder zusammen, und zwar da. wo
immer schon der „Bismarckcult" getrieben worden ist. bei Hein-
rich Haussmann. Da wird am ersten April 1895. das weiss ich
Eine Bismarck-Huldigung in Friedrichsruh. ganz bestimmt, von denen, die das Bismarckbild vereinigt - so-
Originalzeichriung von K. Storch
weit sie noch am Leben sind ein begeistertes Hoch dem Gründer
des Deutschen Reiches dargebracht werden.