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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 9.1895

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Schumacher, Heinrich Vollrat: Das Hungerloos, [7]: humoristischer Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.19627#0187

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.MODERNE KUNST.

Fürst Bismarck Zeitung lesend. Originalzeichnung von Ewald Thiel.

die Pony's brennen musstest? Und wie der Wichers Dich immer so merk- Zimmer ausgeräumt, und

würdig ansah, so forschend, so beobachtend? Als er ging, fasste er Dir nun ist Möbelhändler Mer-

sogar an's Kinn, Leo!" tens mit einem grossen

Leo fuhr kerzengerade in die Höhe und umklammerte mit beiden Wagen voll Möbel gekommen. Er fragt, wohin er sie stellen soll."
Händen den Stamm des Birnbaumes, um nicht zu fallen. Und der Pflück- Frau Amalie fuhr zu ihr herum,

korb kippte um, und über Frau Amalie ergoss sich ein Regen von „Möbel? Was für Möbel?"

Birnen. „Nussbaum, Tante! Mit prachtvollen Säulen! Er sagt, Onkel habe

„Meinetwegen?" schrie Leo auf. „Ich soll den Wichers, diesen alten sie selbst ausgesucht!"

Kerl . . .?" Frau Amalie erwiderte nichts. Sie biss mechanisch in die Birne, die

Frau Amalie fuhr entsetzt empor. sie noch immer in der Hand hielt. Die Birne war sehr saftig und sehr

„Um Gotteswillen, Leo, kannst Du so etwas von Papa glauben? Nicht süss, dennoch schmeckte sie Frau Amalie saurer, als der sauerste Apfel.

den alten Wichers, den jungen! der so lange auf Reisen war, in der ganzen Sie warf sie fort. Dann richtete sie einen verzweifelten Blick nach der

Welt. Otti erzählte, er sei neulich zurückgekommen und sein Vater suche Spitze des Birnbaums.

nun eine Frau für ihn. Der alte Wichers ist sehr ehrgeizig, und die „Oh, Leo, was soll ich thun? Was kann ich thun?"

Rocholls sind ein altadeliges Geschlecht. Er würde durch Dich in die Leo glitt eilig am Stamm des Baumes herunter zur Erde,

beste Gesellschaft kommen. Und da er furchtbar reich ist und der junge „Was kümmert's mich? Und was machst Du Dir unnütze Sorgen

ungeheuer verwöhnt sein soll, so wird Papa wohl seinetwegen ..." darum? Die Tapezierer sind da, die Möbel sind da, basta! Nimm, was

Leo lachte grimmig. Du kriegen kannst!"

„Aha, darum die Tapezierer und das Blumenmuster! Na, mir soll's Sie schritt voran. Frau Amalie folgte mit gesenktem Haupte. Dann

recht sein. Ich nehme ihn doch nicht!" Mia mit dem Hemde des Onkels.

„Oh, Leo, wenn Papa es wirklich will ..." -;- • *

„Lass ihn wollen! er wird schon sehen, wer nicht will. Darum ängstige Eine Viertelstunde später kehrte Leo in den Garten zurück. Sie ging
Dich nicht, Mama. Das geht Dich gar nichts an. Lass den Tapezierer mit langen, wuchtigen Schritten, geballten Händen und finster zusammen-
ruhig kleben; gleichgültig, warum Papa ihn kleben lässt. Wenigstens gezogenen Augenbrauen.

werden wir bei der Gelegenheit ein paar anständige Stuben . . ." Plötzlich stutzte sie und blieb stehen. Unter dem Birnbaum sass ein
Sie vollendete nicht. Mia kam um das Haus gerannt, ein dampfendes Mensch. Sein Gesicht wurde durch einen hellgrauen, breitrandigen Filz-
Hemd in der Hand tragend. Denn heute war Herrn von Rocholls Leib- hut völlig verdeckt, seine Beine lagen lang im Grase ausgestreckt, und
wasche an der Reihe. seine behandschuhten Hände Hessen Birnen in eine unsichtbare Oeffnung
„Tante!" rief sie schon von Weitem. „Die Tapezierer haben die verschwinden, fast maschinenmässig.
 
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