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MODERNE KUNST.
Kaum ein anderes Volk hat eine historische Kunst wie die Polen. Jeweiliger wild bewegter Schlachtenbilder. Vor einigen Jahren machte sein Bild: „Aus
die Gegenwart befriedigt, um so stärker ist der Drang, in den Erinnerungen an meinen Jugendjahren" Aufsehen. Ein Kosakenpulk reitet in rasender Carriere
eine schönere Vergangenheit Trost zu finden. Es ist, als ob sie an dem, was durch die Strassen einer Stadt. Ein kleiner Knabe, der ahnungslos bei seinem
die Väter thaten und litten, sich berauschen wollten, um das eigene Schicksal Spiel geblieben, während alle anderen flohen, — es ist der Künstler selbst —,
zu vergessen. Den Ton gab der geniale Fanatiker Jan Matejko an. Seine Bilder ist in Gefahr, überritten zu werden und wird im letzten Augenblick gerettet,
waren gemalte Fehdebriefe an die Feinde seines Volkes: trug er doch kein Be- Von der „Gefangennahme des Generals Tyskiewicz" war schon die Rede. Viel
denken, die Huldigung des Preussenherzogs Albrecht vor dem König von Polen besprochen wurde das Panorama der Schlacht bei Ractawice, das auf der Lem-
zu einer Ausstellung nach Berlin zu schicken. Eine fast barbarische Kraft in berger Ausstellung zu sehen war. Es zeigt polnische Bauern im Kampfe mit
Charakteristik und Farbe war ihm eigen, die uns erschreckt, die ihn aber zum den gepuderten Gamaschenhelden der zweiten Katharina. Im Augenblick malt
Abgott seiner Landsleute macht. Seine Weise war gewaltsam und schrill wie der Künstler, der meist in Paris lebt, in Berlin an einem Panorama der Schlacht
der Schrei eines wüthenden Thieres. Zum Glück hat er keine Schule gemacht, an der Beresina.
seine schroffe Eigenart, seine harte Persönlichkeit stiess ab. Aber wenn auch Uebrigens liegt diese Leidenschaftlichkeit nicht nur in den Künstlern, sie
ein wenig gemildert, das Leidenschaftliche blieb auch den Späteren. Ein Pariser liegt in der Rasse, im polnischen Blut. Alles geschieht bei diesen Menschen
Kritiker schrieb von Kossaks „Gefangennahme des Generals Tyskiewicz": mit einer gewissen Verve, mit einem Ueberschuss von Kraft, Der Tanz ist wild
„Welches Leben — ich hätte beinahe gesagt: welcher Lärm in diesem Bilde!" wie der Kampf, die Freude lärmend wie die Wuth. In scheinbar schroffem, aber
Das Wort passt ein wenig auf die Art der ganzen historischen Kunst der Polen. auch bei anderen nicht seltenem Gegensatz dazu steht die stille Melancholie, die
Hier kann sich ihr hitziges Temperament am freiesten entfalten. Das Haupt in ruhigen Momenten ihr Wesen erfüllt, die eigentliche Stimmung der Steppe,
der Schule ist der ältere von Kossak, der noch jetzt in Krakau lebt, und dessen die sich auch dem Fremdling mittheilt. Diese Rasse haben ihre Maler in die
Schüler fast alle bedeutenderen Polen sind. Besonders der bei uns wohlbekannte Kunst eingeführt, und je mehr die moderne Kunst, die scheinbar internationale.
Jozef von Brandt, der in München lebt, und der jüngere von Kossak, der Maler den Künstler auf die Natur, auf seinen Mutterboden wies, um so deutlicher treten
die beiden Noten in der polnischen Kunst hervor.
Beide beherrscht Jozef Chelmonski. Er
war zuerst der Maler des Bauernlebens. Kirmesse,
Märkte, Tänze, die fröhlichen Fahrten über Land,
das alles hat er mit grosser Kraft geschildert.
Er ist bei uns nicht so bekannt geworden wie
Alfred von Wierusz-Kowalski, sein Rival auf
diesem Gebiet, der zu den volksthümlichen
Grössen Deutschlands gehört. Er dankt diese
Beliebtheit wesentlich dem neuen Ton, den er in
die an sich beliebte Bauernmalerei brachte. Man
vergleiche seine Bilder mit den idyllischen Schil-
derungen unseres Knaus und selbst mit den
fröhlicheren unseres Defregger, und man wird
verstehen, was ich sagen will. Als man sich an
der stillen Behaglichkeit des Knaus und der
schmunzelnden Vergnügtheit Defregger's etwas
übersättigt hatte, wirkte Wierusz's lärmender
Uebermuth mit dem Reiz des Neuen wie des
Norwegers Hans Dahl lachender Witz.
Jetzt ist Chelmonski der Maler der Steppe. Da
ist Juljaan Falat sein Rival. Aber Falat belebt
sie mit Gestalten, am liebsten mit Jägern, die auf
das grasende Wild passen oder im Triumph die
Beute dahertragen, oder mit dem fröhlichen Ge-
wimmel vor oder nach der Jagd. Er kennt den
bläulichen Nebel ihrer Abende — aber am liebsten
malt er ihren Schnee, Schnee, wie ihn kein
anderer ihm nachmalt. Bei allem sind ihm die
Menschen die Hauptsache, die wetterfesten Kerle
mit dem grimmigen Schnauzbart und den fun-
kelnden Augen. Für Chelmonski ist die Land-
schaft das, was ihn immer von neuem fesselt.
Selten eine Staffage. Stille Winkel, wo das
Schweigen des Waldes herrscht, malt er am
liebsten: dürftige Föhren um einen entlegenen
Weiher, verschilfte Teiche und ähnliches. Seine
Bilder wirken wie jene kleinen polnischen Volks-
liedchen, die das Herz mit einer räthselhaften,
bangen und doch wieder süssen Wehmuth füllen.
Chelmonski ist der einzige eigentliche Land-
schafter unter den Polen. In dem jungen Stanis-
lawski, der seit einigen Jahren erst ausstellt,
wächst ein zweiter heran.
Dass die Polen aucli im Bildnissfach Vortreff-
liches leisten, danken sie neben der Begabung
gleichfalls ihrer Rasse. Ihr Mienenspiel ist viel
lebhafter als etwa das der Deutschen, was ganz
besonders bei den Frauen hervortritt, deren Tem-
perament das Gesicht kaum für einen Augen-
blick völlig ruhig lässt. Wenn Kasimir Poch-
walski, der grosse Portraitist, diese Lebhaftigkeit
noch etwas mildert, so lassen die Malerinnen,
die geniale verstorbene Anna Bilinska und Olga
von Boznanska, sie gerne scharf hervortreten.
Man wird kaum ein polnisches Portrait finden, das
die bei uns oft vorkommende Photographiepose
Mit Genehmigung der Photographischen Gesellschaft in Berlin zeigt. —
J. Falat. Speerjäger auf der Bärenjagd. V°n den Künslle™. die nicht nur das froh-
MODERNE KUNST.
Kaum ein anderes Volk hat eine historische Kunst wie die Polen. Jeweiliger wild bewegter Schlachtenbilder. Vor einigen Jahren machte sein Bild: „Aus
die Gegenwart befriedigt, um so stärker ist der Drang, in den Erinnerungen an meinen Jugendjahren" Aufsehen. Ein Kosakenpulk reitet in rasender Carriere
eine schönere Vergangenheit Trost zu finden. Es ist, als ob sie an dem, was durch die Strassen einer Stadt. Ein kleiner Knabe, der ahnungslos bei seinem
die Väter thaten und litten, sich berauschen wollten, um das eigene Schicksal Spiel geblieben, während alle anderen flohen, — es ist der Künstler selbst —,
zu vergessen. Den Ton gab der geniale Fanatiker Jan Matejko an. Seine Bilder ist in Gefahr, überritten zu werden und wird im letzten Augenblick gerettet,
waren gemalte Fehdebriefe an die Feinde seines Volkes: trug er doch kein Be- Von der „Gefangennahme des Generals Tyskiewicz" war schon die Rede. Viel
denken, die Huldigung des Preussenherzogs Albrecht vor dem König von Polen besprochen wurde das Panorama der Schlacht bei Ractawice, das auf der Lem-
zu einer Ausstellung nach Berlin zu schicken. Eine fast barbarische Kraft in berger Ausstellung zu sehen war. Es zeigt polnische Bauern im Kampfe mit
Charakteristik und Farbe war ihm eigen, die uns erschreckt, die ihn aber zum den gepuderten Gamaschenhelden der zweiten Katharina. Im Augenblick malt
Abgott seiner Landsleute macht. Seine Weise war gewaltsam und schrill wie der Künstler, der meist in Paris lebt, in Berlin an einem Panorama der Schlacht
der Schrei eines wüthenden Thieres. Zum Glück hat er keine Schule gemacht, an der Beresina.
seine schroffe Eigenart, seine harte Persönlichkeit stiess ab. Aber wenn auch Uebrigens liegt diese Leidenschaftlichkeit nicht nur in den Künstlern, sie
ein wenig gemildert, das Leidenschaftliche blieb auch den Späteren. Ein Pariser liegt in der Rasse, im polnischen Blut. Alles geschieht bei diesen Menschen
Kritiker schrieb von Kossaks „Gefangennahme des Generals Tyskiewicz": mit einer gewissen Verve, mit einem Ueberschuss von Kraft, Der Tanz ist wild
„Welches Leben — ich hätte beinahe gesagt: welcher Lärm in diesem Bilde!" wie der Kampf, die Freude lärmend wie die Wuth. In scheinbar schroffem, aber
Das Wort passt ein wenig auf die Art der ganzen historischen Kunst der Polen. auch bei anderen nicht seltenem Gegensatz dazu steht die stille Melancholie, die
Hier kann sich ihr hitziges Temperament am freiesten entfalten. Das Haupt in ruhigen Momenten ihr Wesen erfüllt, die eigentliche Stimmung der Steppe,
der Schule ist der ältere von Kossak, der noch jetzt in Krakau lebt, und dessen die sich auch dem Fremdling mittheilt. Diese Rasse haben ihre Maler in die
Schüler fast alle bedeutenderen Polen sind. Besonders der bei uns wohlbekannte Kunst eingeführt, und je mehr die moderne Kunst, die scheinbar internationale.
Jozef von Brandt, der in München lebt, und der jüngere von Kossak, der Maler den Künstler auf die Natur, auf seinen Mutterboden wies, um so deutlicher treten
die beiden Noten in der polnischen Kunst hervor.
Beide beherrscht Jozef Chelmonski. Er
war zuerst der Maler des Bauernlebens. Kirmesse,
Märkte, Tänze, die fröhlichen Fahrten über Land,
das alles hat er mit grosser Kraft geschildert.
Er ist bei uns nicht so bekannt geworden wie
Alfred von Wierusz-Kowalski, sein Rival auf
diesem Gebiet, der zu den volksthümlichen
Grössen Deutschlands gehört. Er dankt diese
Beliebtheit wesentlich dem neuen Ton, den er in
die an sich beliebte Bauernmalerei brachte. Man
vergleiche seine Bilder mit den idyllischen Schil-
derungen unseres Knaus und selbst mit den
fröhlicheren unseres Defregger, und man wird
verstehen, was ich sagen will. Als man sich an
der stillen Behaglichkeit des Knaus und der
schmunzelnden Vergnügtheit Defregger's etwas
übersättigt hatte, wirkte Wierusz's lärmender
Uebermuth mit dem Reiz des Neuen wie des
Norwegers Hans Dahl lachender Witz.
Jetzt ist Chelmonski der Maler der Steppe. Da
ist Juljaan Falat sein Rival. Aber Falat belebt
sie mit Gestalten, am liebsten mit Jägern, die auf
das grasende Wild passen oder im Triumph die
Beute dahertragen, oder mit dem fröhlichen Ge-
wimmel vor oder nach der Jagd. Er kennt den
bläulichen Nebel ihrer Abende — aber am liebsten
malt er ihren Schnee, Schnee, wie ihn kein
anderer ihm nachmalt. Bei allem sind ihm die
Menschen die Hauptsache, die wetterfesten Kerle
mit dem grimmigen Schnauzbart und den fun-
kelnden Augen. Für Chelmonski ist die Land-
schaft das, was ihn immer von neuem fesselt.
Selten eine Staffage. Stille Winkel, wo das
Schweigen des Waldes herrscht, malt er am
liebsten: dürftige Föhren um einen entlegenen
Weiher, verschilfte Teiche und ähnliches. Seine
Bilder wirken wie jene kleinen polnischen Volks-
liedchen, die das Herz mit einer räthselhaften,
bangen und doch wieder süssen Wehmuth füllen.
Chelmonski ist der einzige eigentliche Land-
schafter unter den Polen. In dem jungen Stanis-
lawski, der seit einigen Jahren erst ausstellt,
wächst ein zweiter heran.
Dass die Polen aucli im Bildnissfach Vortreff-
liches leisten, danken sie neben der Begabung
gleichfalls ihrer Rasse. Ihr Mienenspiel ist viel
lebhafter als etwa das der Deutschen, was ganz
besonders bei den Frauen hervortritt, deren Tem-
perament das Gesicht kaum für einen Augen-
blick völlig ruhig lässt. Wenn Kasimir Poch-
walski, der grosse Portraitist, diese Lebhaftigkeit
noch etwas mildert, so lassen die Malerinnen,
die geniale verstorbene Anna Bilinska und Olga
von Boznanska, sie gerne scharf hervortreten.
Man wird kaum ein polnisches Portrait finden, das
die bei uns oft vorkommende Photographiepose
Mit Genehmigung der Photographischen Gesellschaft in Berlin zeigt. —
J. Falat. Speerjäger auf der Bärenjagd. V°n den Künslle™. die nicht nur das froh-