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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 9.1895

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Schumacher, Heinrich Vollrat: Das Hungerloos, [11]: humoristischer Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.19627#0240

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152 MODERNE KUNST.

Rob. Warthmüller. Lustiges Paar.'

„Ausser den Gütern Templin und Amalienruh", erwiderte Herr von die Füsse, wie unsere Ahnen sich ihre Fehdehandschuhe vor die Füsse

Rocholl mit schwacher Stimme, „die allerdings von mir stark mit Hypo- warfen! Aber das sage ich Dir, ich nehme ihn nicht auf! Ich schwör's

theken belastet wurden, um den plötzlichen Ueberfluss zu verdecken, noch bei Allem, was mir heilig ist, bei den braunen Zöpfen des Trotzkopfs da

ungefähr 260000 Mark an baarem Gelde, Werthpapieren und sicheren am Fenster — haha, der eine steckt zwischen ihren Zähnen — und Sie,

Schuldverschreibungen!" Stiefneffe Martius, als Amtsperson, sind Zeuge: ich duellire mich nicht

„Ah!" sagte Fritz; nichts weiter. mit dem alten Rocholl da; ich nehm' ihn nicht auf, seinen Handschuh,

Dann plötzlich ging er zu seinem Bruder hin, umschloss ihn mit seinen und sein Hungerloos noch weniger. Mag' er sich d'ran zu Tode hungern,

beiden Armen und blickte ihm lange in das gramdurchfurchte, zuckende Na, was willst Du denn, Mensch? Bleib' sitzen, sag' ich Dir nochmals,

Gesicht. auf Deinem Sessel, auf Templin und Amalienruh, und auf Deinem Geld-

„Winand!" sagte er. „Armer Kerl! Und darum hast Du Dich ab- sack. — So! Und nun will ich doch 'mal sehen, ob Malchen noch tanzen

geplagt die ganze Zeit und hast Dir und den Deinen das Leben zur Hölle kann!"

gemacht?" Er drängte die ihn Bestürmenden von sich ab und ergriff die weinende

Frau Amalie fing an zu weinen, und dann weinte auch Otti. Und und lachende Frau Amalie mit beiden Händen, um mit ihr durch das

Mia folgte nach und zuletzt sogar Leo am Fenster. Und eine kurze Weile Zimmer zu walzen. Dann, als er mit ihr in der Nähe eines gewissen

war nur ein einziges grosses Schluchzen im Zimmer. • Fensters war, Hess er sie sanft in einen Sessel gleiten und flüsterte ihr

„Fritz!" stammelte Winand und suchte sich zu erheben. Doch Fritz etwas zu.

drückte ihn sanft nieder „Was meinst Du, Schwägerin, wenn Du meine Schwiegermama würdest?"

„Bleib' sitzen, alter Rocholl! Vertheidige Dich nicht! Es ist ja nicht Sie fuhr auf und wollte etwas antworten. Aber sie kam nicht dazu.

Deine Schuld. Warum hab' ich mich auch nicht gemeldet auf Deine Auf- Vor ihr stand nun Leo neben dem Amerikaner. Und sie legte erröthend

forderungen? Ich hab' sie wohl gelesen, aber Du kennst ja unser trotziges die Hand auf den Arm des Geldmenschen und stotterte verlegen durch

Blut. Gott und die Ehr', nichts mehr! Na, und ich suchte meine Ehre Thränen zu ihm auflächelnd:

darin, Dir zu zeigen, dass in mir doch was Rechtes steckte. Nicht eher „Ich . . . ich ... ist dies jetzt das . . . das nächste Mal?"
wollte ich zurückkehren, bis ich der Mann von meiner Hände Gnaden Er jauchzte auf und hob sie hoch empor. Dann sank sie zu seinen
geworden wäre. Und darum nannte ich mich drüben Fred Brown und Lippen nieder. Und nun flüsterte er auch ihr etwas zu.
darum bin ich nun zurück. Denn ich bin nun der Mann von meiner »Nur für diesmal?" fragte er. „Oder für allemal?"
Hände Gnaden, der Fred Brown, der Gründer und erste Director der Sie antwortete nicht, aber sie lag still an seiner Brust und lächelte,
deutsch-amerikanischen Bergwerks-Gesellschaft. Und nun, da ich's bin, da Bis die Thür zum Corridor sich öffnete und Herr Theodor Brechtling
ich satt bin von diesem gottverdammten Mammon, dem man leider soviel in ihr erschien in Frack, weissen Handschuhen und glänzendem Cylinder.
schöne Zeit und Kraft opfern muss, da ich zurückgekehrt bin, nur aus der Sprachlos blieb er stehen und der süsse, pfiffige, bescheidene Aus-
Sehnsucht nach ein wenig Liebe, nun wirfst Du mir Dein Hungerloos vor druck seines Gesichts verschwand jäh.
 
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