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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

DOI issue:
Heft 3
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Weese-Bern, Artur: Burgunder Kirchen: (Cluny, Autun, Pontigny)
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0185

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177

Weese. Burgundische Kirchen


CLUNY: Nach dem Reconstruktionsmodell im Musee Ochier

Alten ihren Durst gestillt haben. So wird sie mit ihrer Arbeit niemals fertig. Aber
die unveränderliche Kraft ihres prädestinierten und immer dauernden Willens geht
von den großen Bauwerken ihrer Kirchen und Kathedralen aus, in denen sie mit Musik,
Weihrauch, tiefsinniger Symbolik und dem alles überwältigenden Schweigen ver-
sonnener Andacht die Sinne gefangen nimmt. Mit solchen Mitteln dringt sie in die
verschlossenen Regionen des Herzens ein, die keine Rethorik und Logik, keine Dog-
matik und Dialektik zu öffnen vermag.
Cluny ist die gewaltigste und wohl die älteste der burgundischen Mönchskirchen.
Als Mutterkirche der Clunyacensischen Regel war sie die stolzeste und in ihrer Größe
und Pracht unerreichbare Schöpfung des Ordens. In Rom behauptete die alte Peters-
basilika den Ruhm des größten christlichen Gotteshauses. Aber die Äbte von Cluny
erweiterten die Abmessungen ihrer Abteikirche derart, daß sie die päpstliche Hauptkirche
in Länge und Höhe übertraf. Heute ist Cluny ein kleiner Ort im Tale der Grosne, fast
nur aus einem einzigen Straßenzuge bestehend. Alles Leben des erstorbenen Nestes
sammelt sich in dieser Hauptader vor den Türen der Läden und Werkstätten.
Der Cluniacenser von heute ist Kleinstädter, Provinziale, und von der Askese
will er nur so viel wissen, als er unter dem Druck des Lebens notgedrungen erfährt.
Er hört nicht mehr auf ihre Lehre in der mönchischen Fassung, obgleich sie noch aus
Resten und Ruinen der alten Klosterherrlichkeit vernehmlich zu ihm spricht.
Ein riesiger Turm mit romanischen Bogenarkaden burgundischer Bauweise be-
herrscht das ganze Tal, Stadt und Land, soweit das Auge reicht. Dieser Turm ist das
 
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