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Monatshefte für Kunstwissenschaft
liegt, die an die imposanten Architekturbilder kaiserlich römischer Baukunst gemahnt.
Die unbezwingliche Steinsolidität des Mauerwerkes, der herbe Materialcharakter des
tiefgrauen Quaderbaues, die starre und schwere Tonnenwölbung im Verein mit den ins
Breite gezogenen Proportionen des Hauptraumes sind die einzig stolzen Ausdrucksmittel
einer Monumentalität, die den Kampf mit der Vergänglichkeit gelassen aufnehmen
konnte. Römische Architektur ist Trotz gegen den alles vernichtenden Feind, gegen die
Zeit. Sie baut für die Ewigkeit und die Absicht auf das Unendliche wird selbst in
ihren kleinsten Werken spürbar bleiben, weil in jedem Stein und jeder Fuge das
charaktervolle Verantwortungsgefühl lebt, das immer zum besten Material greift, und
dasselbe in der besonnensten Technik behandelt. Gotische Kathedralen sind niemals
fertig. Sie sind eine ewige Schuld, die von Geschlecht sich auf Geschlecht vererbt;
immer von neuem wird der Verzweiflungskampf gegen Wetter und Wind aufgenommen,
um das üppige Zierwerk vor dem Verfall zu retten. Einmal wird man dieser Müh'
ohne End überdrüssig sein. Denn es ist eine unhaltbare und unlösbare Aufgabe.
Aber wo römische Baugesinnung geherrscht hat, sind selbst die Ruinen kriegerischer
Zerstörung wetterhart und ewiggroß gleich dem Urgestein, das in furchtbaren
Erdkatastrophen gesprengt wurde und nun zutage liegt. In der Kathedrale
von Autun ist dieser Geist noch heute leibhaftig wahr. Er ist unvergänglich und daß
ihn auch Laien spüren und seinen Sinn deuten, das ist notwendig. Wir sehen den
Stil als Ausdruck allein von Material und Technik an. Aber er ist noch viel mehr der
Zeuge eines klaren Willens, der eine redende Form für seine Absicht gefunden hat.
Wahl des Steines und seine Behandlung sind eine Tat, das Zeugnis eines Bewußtseins.
Sie sind Erfindungen und künstlerische Erfolge in einem Kampfe, durch den der Mensch
gegen die ewigen Mächte Herr geworden ist; wenigstens im Symbol.
Vor solchen Werken muß die Gegenwart Halt machen und sich besinnen. Noch
ist es bloß der Historiker, der dem eiligen und flüchtenden Geschlecht von heute den
Weg vertritt, um den Arm emporzustrecken und hinzuweisen auf den Bau, der stumm
und ernst die Jahrhunderte überdauert. Er will aber nicht zeigen, was war, sondern
was ist, nicht das Vergangene, sondern das Lebendige. Er sieht nicht die Form,
sondern den Willen. Nun lebt hier noch dieser Wille, dessen Atemzug tief und feierlich
weht wie ein Hauch aus Ewigkeiten. Was schiert es uns, ob Gotik oder Klassik, ob
kirchlich oder weltlich, christlich oder heidnisch. Das alles ist sub specie aeternitatis
betrachtet, nur geschichtlicher Formalismus.
Wie sich aber Zeiten und Völker mit den unabänderlichen Gesetzen von Werden
und Vergehen auseinandergesetzt haben und wie sich der ewig bejahende Geist gegen
das ewige Nein der Vergänglichkeit behauptet hat, wenigstens durch einen Gedanken
und für einen Augenblick, das ist eines Blickes wert. Denn das ist der niemals be-
friedigende und immer wieder neu geschöpfte Trunk, den die Dürstenden tun aus
dem Strome des Lebens. Mächtig rauscht er vorüber, mit hohler Hand stehen die
Verlangenden an den Ufern, Geschlechter und Rassen, eine unendliche Kette.
Auch das Mittelalter hat diesen Zauber gefühlt, den die Werke der Alten aus-
üben. Niemals ist das klassische Altertum vergessen worden. Doch wenn antike
Monatshefte für Kunstwissenschaft
liegt, die an die imposanten Architekturbilder kaiserlich römischer Baukunst gemahnt.
Die unbezwingliche Steinsolidität des Mauerwerkes, der herbe Materialcharakter des
tiefgrauen Quaderbaues, die starre und schwere Tonnenwölbung im Verein mit den ins
Breite gezogenen Proportionen des Hauptraumes sind die einzig stolzen Ausdrucksmittel
einer Monumentalität, die den Kampf mit der Vergänglichkeit gelassen aufnehmen
konnte. Römische Architektur ist Trotz gegen den alles vernichtenden Feind, gegen die
Zeit. Sie baut für die Ewigkeit und die Absicht auf das Unendliche wird selbst in
ihren kleinsten Werken spürbar bleiben, weil in jedem Stein und jeder Fuge das
charaktervolle Verantwortungsgefühl lebt, das immer zum besten Material greift, und
dasselbe in der besonnensten Technik behandelt. Gotische Kathedralen sind niemals
fertig. Sie sind eine ewige Schuld, die von Geschlecht sich auf Geschlecht vererbt;
immer von neuem wird der Verzweiflungskampf gegen Wetter und Wind aufgenommen,
um das üppige Zierwerk vor dem Verfall zu retten. Einmal wird man dieser Müh'
ohne End überdrüssig sein. Denn es ist eine unhaltbare und unlösbare Aufgabe.
Aber wo römische Baugesinnung geherrscht hat, sind selbst die Ruinen kriegerischer
Zerstörung wetterhart und ewiggroß gleich dem Urgestein, das in furchtbaren
Erdkatastrophen gesprengt wurde und nun zutage liegt. In der Kathedrale
von Autun ist dieser Geist noch heute leibhaftig wahr. Er ist unvergänglich und daß
ihn auch Laien spüren und seinen Sinn deuten, das ist notwendig. Wir sehen den
Stil als Ausdruck allein von Material und Technik an. Aber er ist noch viel mehr der
Zeuge eines klaren Willens, der eine redende Form für seine Absicht gefunden hat.
Wahl des Steines und seine Behandlung sind eine Tat, das Zeugnis eines Bewußtseins.
Sie sind Erfindungen und künstlerische Erfolge in einem Kampfe, durch den der Mensch
gegen die ewigen Mächte Herr geworden ist; wenigstens im Symbol.
Vor solchen Werken muß die Gegenwart Halt machen und sich besinnen. Noch
ist es bloß der Historiker, der dem eiligen und flüchtenden Geschlecht von heute den
Weg vertritt, um den Arm emporzustrecken und hinzuweisen auf den Bau, der stumm
und ernst die Jahrhunderte überdauert. Er will aber nicht zeigen, was war, sondern
was ist, nicht das Vergangene, sondern das Lebendige. Er sieht nicht die Form,
sondern den Willen. Nun lebt hier noch dieser Wille, dessen Atemzug tief und feierlich
weht wie ein Hauch aus Ewigkeiten. Was schiert es uns, ob Gotik oder Klassik, ob
kirchlich oder weltlich, christlich oder heidnisch. Das alles ist sub specie aeternitatis
betrachtet, nur geschichtlicher Formalismus.
Wie sich aber Zeiten und Völker mit den unabänderlichen Gesetzen von Werden
und Vergehen auseinandergesetzt haben und wie sich der ewig bejahende Geist gegen
das ewige Nein der Vergänglichkeit behauptet hat, wenigstens durch einen Gedanken
und für einen Augenblick, das ist eines Blickes wert. Denn das ist der niemals be-
friedigende und immer wieder neu geschöpfte Trunk, den die Dürstenden tun aus
dem Strome des Lebens. Mächtig rauscht er vorüber, mit hohler Hand stehen die
Verlangenden an den Ufern, Geschlechter und Rassen, eine unendliche Kette.
Auch das Mittelalter hat diesen Zauber gefühlt, den die Werke der Alten aus-
üben. Niemals ist das klassische Altertum vergessen worden. Doch wenn antike