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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 5
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0479

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Literatur

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Werke der Spätgotik (z. B. das prächtige Portal
der Capilla Real in Granada) und die hervor-
ragenden Schöpfungen plateresken Stiles, die
einzigen charakteristisch spanischen, mit keiner
Silbe angedeutet, während zahlreiche geschmack-
lose Leistungen des kläglichen Madrider Klassi-
zismus breite und wohlwollende Berücksichtigung
finden. Vielleicht hat der Verfasser, der der
Akademie von S. Fernando angehört, geglaubt,
einige Worte pro domo beifügen zu müssen,
er hätte aber zweifellos seinem Buche besser
gedient, wenn er sich auf das Mittelalter be-
schränkt und auf diesem Gebiete seine Studien
vertieft und erweitert hätte.
Noch immer beliebt man in zahlreichen
spanischen Publikationen möglichst „von den
Anfängen bis auf die Gegenwart" handeln zu
wollen, aber abgesehen davon, daß der Vorsatz
regelmäßig Utopie bleibt, wird durch derartige
Quijoterien der wissenschaftliche Wert des
Ganzen natürlich sehr in Frage gestellt.
Ernst Kühnel.

Kurt Münzer, Die Kunst des Künstlers.
Prolegomena zu einer praktischen Ästhetik.
Mit 10 Abbildungen. Dresden, Gerhard Küht-
mann, 1905. gr. 8°. 112 S. Preis broch. 5, — M.
geb. 6,50 M.
Der pretiöse Titel erweckt große Erwar-
tungen. Aber schon der erste Satz des Buches
zwingt, sie zurückzudämmen. Da heißt es: „Nur
der Geweihte sollte von dem Heiligen, nur der
Künstler von der Kunst sprechen." Unwillkür-
lich geht einem das Wort „Bilde, Künstler, rede
nicht!" durch den Sinn.1) Dann aber fragt man
bescheidentlich: Und warum soll nur der Künstler
von der Kunst reden? Die Antwort lautet ein
wenig mystisch: „Denn noch immer ist die Kunst
das, was nicht für alle ist, und was nicht alle
können. Eine zweite Weltschöpfung bemächtigt
sie sich wie die erste des Lebens der Menschen
und zwingt Geist und Gemüt, sie zu durch-
dringen." Also weil die Kunst eine zweite
Weltschöpfung ist, sollen nur ihre Schöpfer von
ihr sprechen? Ist das denn auch bezüglich der
ersten Weltschöpfung so? Was wohl die Natur-
forscher sagen würden, wenn irgend ein Jemand
käme und ihnen sagte, sie hätten das Recht
nicht, sich in die tausend Probleme der Natur
zu vertiefen, da sie die Natur nicht geschaffen
hätten? Ich fürchte, sie würden mit einem
homerischen Gelächter antworten. Kurt Münzer

9 Fr. Hebbel schrieb: „Künstler, nie mit Worten, mit
Taten begegne dem Feinde! Schleudert er Steine nach
Dir, mache Du Statuen draus!"

aber sagt allen Ernstes, es dürfe niemand von
der Kunst sprechen, als der, der sie schaffe.
Und doch behauptet er nicht etwa, daß die
Kunst ein tiefes Geheimnis für den Nichtkünstler
sei; im Gegenteil. Er sagt: „In Wahrheit gibt
es nicht leicht eine zweite menschliche Betätigung,
die schneller und einfacher zu begreifen ist als
die Kunst." Aber er fügt hinzu: „Unbegreiflich
ist nur das Ingenium, das Medium zwischen
Natur und Kunst, die Künstlerseele." Man höre
wohl: „unbegreiflich"! Also doch wohl für jeden
unbegreiflich, für den Nichtkünstler und für den
Künstler? 0 nein, keineswegs! Denn Münzer
sagt: „Und selbst dieses Unbegreiflichste des
Unbegriffenen ließe sich erforschen — auf einem
praktischen Wege." Und diesen praktischen
Weg will er der Menschheit zeigen.
Mehr hat noch nie ein Kühner versprochen!
Und voller Spannung fragen wir, wie er es
machen will, „das Unbegreiflichste des Unbe-
griffenen" uns armen Laien begreiflich zu
machen.
Die Sache ist erstaunlich einfach. Da bisher
„immer nur Philosophen und Kunstgelehrte
ästhetisiert haben, anstatt der vor allem dazu
Berufenen: der Künstler" und da andererseits
es „gerade die Aufgabe unserer Zeit, der wie
kaum einer zweiter die Kunst fast Lebens-
bedingung geworden ist, sein muß, eine wirk-
liche Kunstlehre zu schaffen", so müssen die
Künstler die Kunstlehre schreiben. Diese„Ästhetik
der Künster" ist aber leider noch ungeschrieben,
doch kann man sie dadurch ersetzen, daß man
die Aussprüche aller Künstler sammelt und aus
ihnen diese Kunstlehre destilliert, denn „an der
praktischen Ästhetik sollen alle unsere Künstler
schreiben". Und diese Arbeit will Curt Münzer
auf sich nehmen.
Nun ist es eine schöne Sache, wenn man
einen Haufen bunter Edelsteine zur Verfügung
hat, um daraus ein köstliches Schmuckstück zu
machen, aber man braucht dazu außer den Edel-
steinen noch einen geschickten Juwelier. Un-
zweifelhaft hat Münzer eine Fülle von pracht-
vollen Aussprüchen toter und lebender Künstler
zusammengebracht, aber sie sind so wunderlich
aneinander gereiht, daß es einem um die liebe-
volle Arbeit der Fassung leid tut.
Ich will gar nicht davon sprechen, daß der
Verfasser, der mit dem Satze: „nur der Künstler
sollte von der Kunst sprechen" majestätisch an-
hub, im Verlaufe seiner Arbeit auch mit den
Aussprüchen solcher Männer vorlieb nimmt, die
keine Künstler, sondern nichts weiter als Philo-
sophen, Kunstgelehrte usw. waren, will auch
nicht einmal tadeln, daß sehr wichtige Künstler-
 
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