Rundschau
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zuständigen Stellen mit großem Interesse ent-
gegensehen.
Prähistorische Necropote bei Marino. Ein
Kilometer von Marino neben dem Kirchhofe
San Rocco wurde ganz kürzlich ein intaktes
sogenanntes „a pozzo" Grab gefunden, das zu
derselben hocharchaischen Gattung von Gräbern
gehört, wie sie schon vor ungefähr neunzig
Jahren im benachbarten Castelgandolfo konsta-
tiert wurden. In der Nähe von Marino wurde
jüngst auch eine römische Villa gefunden, die
nun mit Hilfe der Regierung fachmäßig ausge-
graben werden soll.
Die Ausgrabung von Herculaneum. Nach
dem Scheitern des großen Waldsteinschen Pla-
nes — an sein Akzeptieren von Seite des ita-
lienischen Staates konnten nur mit den hiesigen
Verhältnissen total unbekannte Optimisten glau-
ben — hat die von der ital. Regierung ange-
kündigte selbständige Aktion nicht einen Schritt
nach vorn getan. Letzthin hat eine amerika-
nische Gesellschaft der Regierung denVorschlag ge-
macht, die Ausgrabung mit Hilfe vieler Schachte,
welche durch Tunnels zu verbinden wären,
durchzuführen. Lifts würden die Besucher hin-
unter- und hinaufführen, die Tunnels selbst
mit elektrischem Lichte beleuchtet und so vor
allem die kolossalen Kosten der Expropriation
der darüber liegenden Baulichkeiten auf diese
Weise vermieden werden. Mit Recht ist das
Ministerium auf diesen Vorschlag nicht ein-
gegangen. Was in Amerika geht, geht nicht
in Europa. Man kann auf antike Ruinen nicht
ein System übertragen, das für Bergwerke paßt.
Der ästhetisdie Eindruck darf nicht zerstört
werden.
Kaiserlich deutsches archäologisches Institut.
In der Sitzung vom 3. April sprach Pro-
fessor Giovannoni vom römischen technischen
Institute über die Kurvatur des Tempels des
Hercules in Cori und über Kurvaturen an
Tempeln überhaupt. Die konkave Kurvatur am
Frontgesimse des Tempels ist früher nicht be-
obachtet worden, sie ist aber nach genauen
Messungen des Vortragenden ganz evident und
ziemlich stark. Giovannoni verbreitete sich über
dieses Phänomen und die verschiedenen Theo-
rien der Kurvatur, wie sie von Kugler, le Choisy,
dann von den Physiologen Helmholtz, Hering
und Wundt, aufgestellt wurden. Der Vortra-
gende glaubte, die Kurvatur sei nur ein Mittel
um etwas länger erscheinen zu lassen. Der
Tempel in Cori habe seine Entwicklung nach
oben und nicht in der Horizontalen und deshalb
wirke die Kurvatur für das Auge korrigierend.
Hierauf sprach Professor Emanuel Loewy über
den im ersten Hefte dieser ,Monatshefte' publi-
zierten Aufsatz von G. Pauli, Raffael und Manet.
Pauli war es entgangen, daß Loewy schon vor
zwölf Jahren (im Archivio storico dell' arte 1896
p. 241 ss) auf das in zwei antiken Sarkophag-
reliefs (der Villa Doria Pamphili und Villa
Medici) befindliche Vorbild der Raffaelischen
Komposition hingewiesen hatte. Die Motive
der Raffaelischen Zeichnung, welche dann Marc
Antonio Raimondi stach, gehen evident auf diese
zwei Sarkophage zurück, deren Quelle wahr-
scheinlich ein berühmtes Gemälde, das in an-
tiker Zeit viel kopiert und exzerpiert wurde,
war. Somit geht Manets dejeuner sur l'herbe
in letzter Linie auf ein berühmtes antikes Vor-
bild zurück.
In der Festsitzung vom 24. April berich-
tete Dr. Walter Amelung über einen in seinem Be-
sitze befindlichen aus Formiae stammenden
jugendlich männlichen reifarchaischen Torso. Die
nächsten Analogien zu dieser aus pentelischem
Marmor gearbeiteten Skulptur bieten ein auf
den Akropolis gefundener kurz vor 480 v. Chr.
zu datierender Torso und ein ausgezeichneter
Torso originaler Arbeit in englischem Privatbe-
sitze. In seinem Exemplare erblickte der Vor-
tragende eine griechische Kopie ungefähr des
ersten Jahrhunderts vor Christi und zwar nach
einem Marmororiginale.
Hierauf ergriff der zweite Sekretär des In-
stituts Prof. Chr. Hülsen das Wort zu einem
Vortrage über die im Garten des palazzo Co-
lonna liegenden Ruinen Er ging von dem un-
geheueren auf 35 Kubikmeter geschätzten Tym-
panonblocke aus, der noch heute das Staunen
aller Besucher des herrlichen Gartens erweckt.
Er erwähnte die verschiedenen Benennungen,
welche die Antiquare und Architekten der Re-
naissance diesen Ruinen gegeben haben. Palla-
dio erblickte in ihnen das Templum Solis Aure-
liani, eine Hypothese, die in der Neuzeit u. a.
auch von Lanciani aufgenommen wurde. Nach
Hülsens Meinung müsse man aber die Ruinen
als einen Tempel des Serapis erklären, wofür
außer dort gemachten Funden ägyptischer Gott-
heiten und Tieren noch eine nun verschollene
Inschrift und vor allem der Plan der Ruinen,
der sich ganz an ägyptische Tempel z. B. den
des Ammon Re in Karnak ansdiließt, sprechen.
Die zwei Pylonen oder Tore mögen von den
Dioskuren vom Monte Cavallo flankiert ge-
wesen sein. Der ägyptische Einfluß erstreckte
sich nur auf den Grundriß des Tempels, nicht
aber auf die Innendekoration, die in antik
klassischem Sinne durchgeführt war. Von ägyp-
tischen Säulen, Kapitellen oder Hieroglyphen-
schmuck ist nichts konstatiert worden.
551
zuständigen Stellen mit großem Interesse ent-
gegensehen.
Prähistorische Necropote bei Marino. Ein
Kilometer von Marino neben dem Kirchhofe
San Rocco wurde ganz kürzlich ein intaktes
sogenanntes „a pozzo" Grab gefunden, das zu
derselben hocharchaischen Gattung von Gräbern
gehört, wie sie schon vor ungefähr neunzig
Jahren im benachbarten Castelgandolfo konsta-
tiert wurden. In der Nähe von Marino wurde
jüngst auch eine römische Villa gefunden, die
nun mit Hilfe der Regierung fachmäßig ausge-
graben werden soll.
Die Ausgrabung von Herculaneum. Nach
dem Scheitern des großen Waldsteinschen Pla-
nes — an sein Akzeptieren von Seite des ita-
lienischen Staates konnten nur mit den hiesigen
Verhältnissen total unbekannte Optimisten glau-
ben — hat die von der ital. Regierung ange-
kündigte selbständige Aktion nicht einen Schritt
nach vorn getan. Letzthin hat eine amerika-
nische Gesellschaft der Regierung denVorschlag ge-
macht, die Ausgrabung mit Hilfe vieler Schachte,
welche durch Tunnels zu verbinden wären,
durchzuführen. Lifts würden die Besucher hin-
unter- und hinaufführen, die Tunnels selbst
mit elektrischem Lichte beleuchtet und so vor
allem die kolossalen Kosten der Expropriation
der darüber liegenden Baulichkeiten auf diese
Weise vermieden werden. Mit Recht ist das
Ministerium auf diesen Vorschlag nicht ein-
gegangen. Was in Amerika geht, geht nicht
in Europa. Man kann auf antike Ruinen nicht
ein System übertragen, das für Bergwerke paßt.
Der ästhetisdie Eindruck darf nicht zerstört
werden.
Kaiserlich deutsches archäologisches Institut.
In der Sitzung vom 3. April sprach Pro-
fessor Giovannoni vom römischen technischen
Institute über die Kurvatur des Tempels des
Hercules in Cori und über Kurvaturen an
Tempeln überhaupt. Die konkave Kurvatur am
Frontgesimse des Tempels ist früher nicht be-
obachtet worden, sie ist aber nach genauen
Messungen des Vortragenden ganz evident und
ziemlich stark. Giovannoni verbreitete sich über
dieses Phänomen und die verschiedenen Theo-
rien der Kurvatur, wie sie von Kugler, le Choisy,
dann von den Physiologen Helmholtz, Hering
und Wundt, aufgestellt wurden. Der Vortra-
gende glaubte, die Kurvatur sei nur ein Mittel
um etwas länger erscheinen zu lassen. Der
Tempel in Cori habe seine Entwicklung nach
oben und nicht in der Horizontalen und deshalb
wirke die Kurvatur für das Auge korrigierend.
Hierauf sprach Professor Emanuel Loewy über
den im ersten Hefte dieser ,Monatshefte' publi-
zierten Aufsatz von G. Pauli, Raffael und Manet.
Pauli war es entgangen, daß Loewy schon vor
zwölf Jahren (im Archivio storico dell' arte 1896
p. 241 ss) auf das in zwei antiken Sarkophag-
reliefs (der Villa Doria Pamphili und Villa
Medici) befindliche Vorbild der Raffaelischen
Komposition hingewiesen hatte. Die Motive
der Raffaelischen Zeichnung, welche dann Marc
Antonio Raimondi stach, gehen evident auf diese
zwei Sarkophage zurück, deren Quelle wahr-
scheinlich ein berühmtes Gemälde, das in an-
tiker Zeit viel kopiert und exzerpiert wurde,
war. Somit geht Manets dejeuner sur l'herbe
in letzter Linie auf ein berühmtes antikes Vor-
bild zurück.
In der Festsitzung vom 24. April berich-
tete Dr. Walter Amelung über einen in seinem Be-
sitze befindlichen aus Formiae stammenden
jugendlich männlichen reifarchaischen Torso. Die
nächsten Analogien zu dieser aus pentelischem
Marmor gearbeiteten Skulptur bieten ein auf
den Akropolis gefundener kurz vor 480 v. Chr.
zu datierender Torso und ein ausgezeichneter
Torso originaler Arbeit in englischem Privatbe-
sitze. In seinem Exemplare erblickte der Vor-
tragende eine griechische Kopie ungefähr des
ersten Jahrhunderts vor Christi und zwar nach
einem Marmororiginale.
Hierauf ergriff der zweite Sekretär des In-
stituts Prof. Chr. Hülsen das Wort zu einem
Vortrage über die im Garten des palazzo Co-
lonna liegenden Ruinen Er ging von dem un-
geheueren auf 35 Kubikmeter geschätzten Tym-
panonblocke aus, der noch heute das Staunen
aller Besucher des herrlichen Gartens erweckt.
Er erwähnte die verschiedenen Benennungen,
welche die Antiquare und Architekten der Re-
naissance diesen Ruinen gegeben haben. Palla-
dio erblickte in ihnen das Templum Solis Aure-
liani, eine Hypothese, die in der Neuzeit u. a.
auch von Lanciani aufgenommen wurde. Nach
Hülsens Meinung müsse man aber die Ruinen
als einen Tempel des Serapis erklären, wofür
außer dort gemachten Funden ägyptischer Gott-
heiten und Tieren noch eine nun verschollene
Inschrift und vor allem der Plan der Ruinen,
der sich ganz an ägyptische Tempel z. B. den
des Ammon Re in Karnak ansdiließt, sprechen.
Die zwei Pylonen oder Tore mögen von den
Dioskuren vom Monte Cavallo flankiert ge-
wesen sein. Der ägyptische Einfluß erstreckte
sich nur auf den Grundriß des Tempels, nicht
aber auf die Innendekoration, die in antik
klassischem Sinne durchgeführt war. Von ägyp-
tischen Säulen, Kapitellen oder Hieroglyphen-
schmuck ist nichts konstatiert worden.