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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 6
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0567

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Rundschau

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drei Gymnasialklassen eingerichtet). Der Zweck
dieses florentiner Giro ging dahin, die Herren
mit der starken Renaissancekultur in nahe
Verbindung zu bringen, ihnen die Gesund-
heit, Ursprünglichkeit und Natürlichkeit dieses
künstlerischen Schaffens lieb zu machen und zu
zeigen, wie ein künstlerisch veranlagtes Volk
sein ganzes Leben äußerlich und innerlich meistert
und prägt. Schon die Erfahrung, wie anders
romanische Völker sich die Hauptsachen des
Lebens zurechtlegen als die germanischen, ist
ein Gewinn; und der durchschnittliche Reisende
kommt bekanntlich bei seinem ersten Vorstoß
über die Alpen selten über das Gefühl des
Andersartigen, Unbehaglichen und Rätselhaften
hinaus. Dies war das Hauptergebnis, daß alle
Herren begriffen, daß am Arno zwar die Zivili-
sation der Gegenwart nicht Schritt hält mit der
Lebenshaltung in Deutschland, daß aber die
Kultur dort viel tiefer und fester ist als die an
der Spree und Oder. Man bekam Respekt vor
der Feinheit der Renaissancekultur und ging
dann mit der natürlichen Neugierde an das
Einzelne.
Diese einzelnen Kunstwerke usw. wurden
zunächst inhaltlich und ikonographisch angeeig-
net; wo eine Inschrift zu entziffern war, da
strahlten die Augen. Aber schon nach 8 Tagen
vergaß man, nach dem Namen der Heiligen zu
fragen, weil das Auge an dem ausdrucksvollem
Kopfe, der Klarheit der Geberde sich freute.
Beim Altarbild fingen wir mit dem Rahmen
meist an, die Beziehungen der Haupttafel zu
Predella und Nebentafeln wurden erörtert, das
Verhältnis zum Raum, die Beleuchtung u. a. be-
sprochen. Wie wesentlich es ist, die Bilder aus
den Galerien wieder in die ursprüngliche Heimat
zurück zu versetzen, wurde besonders beim Be-
such der Impruneta klar, wo die beiden Taber-
nakel Luca della Robbias ihre lebendige Kraft
vor allem den reichen Beziehungen zu dem
heimatlichen Pinienwald und den Empfindungen
dieser Dörfler, sowie dem Kultus des alten
Regenbildes verdanken. Für die Kraft, mit der
eine Robbiaglasur den Raum beherrschen kann,
gab die Cappella Bertello in San Gaetano ein
vorzügliches Beispiel. Überhaupt haben wir
Kirchen und Paläste mit mehr Erfolg besucht
als die Galerien. Hier betäubte die Fülle und
außerdem störten uns die Neugierigen, da
Führungen vor oder nach den offiziellen Stunden
nicht gestattet wurden. Der palazzo Riccardi
wurde uns in allen Einzelheiten, ebenso der
palazzo vecchio gezeigt; dazu kam noch der
Besuch des palazzo Davanzati, dem Elia Volpi
bekanntlich wieder herstellen läßt. Hier wird
die Wohnung des Trecento deutlich, auch die

alten dekorativen Fresken sind wieder zum Vor-
schein gekommen. Leider blieb nicht Zeit zum
Besuch von Poggio a Caiano; dafür sahen wir
die Villa Belcaro bei Siena, die als Anlage und
landschaftlich besonders eindrucksvoll ist. Für
den Kunsthistoriker, der Nichtkunsthistoriker zu
begleiten hatte, war es ein Vorteil, alle Einzel-
fragen einmal zurückstellen zu müssen. Man
sieht dann unwillkürlich mehr die Totalität.
Und schließlich will jeder von uns nach all den
notwendigen Umwegen gern wieder dahin zu-
rück. Nie ist mir der dekorative Charakter der
Frührenaissanceplastik so zum Bewußtsein ge-
kommen wie diesmal; die Abhängigkeit vieler
Kunstwerke von den elementaren Mächten
(Wasser, Hitze, Bergwind, Regen, Sonnenglanz)
wurde viel stärker erlebt. Das natürliche Auf-
blühen all der köstlichen Dinge aus den Be-
dingungen des heimatlichen Bodens muß nach-
empfunden werden, um den heimlichen Geist
der Steine, Bronzen und Tafeln zu verstehen.
Länger dauerte es, bis die Malerei des Tre-
cento begriffen wurde. Sie erschien kindlich
und unbeholfen. Leider fehlt ja nun in Florenz
der farbig verklärte Raum, der uns noch die
ursprüngliche Schönheit einer Trecentokapelle
lebendig machen könnte. So gingen wir zum
Bigallo, wo das kleine Klappaltärchen von 1334
steht; ich schloß es, ließ die Herren dann erst
eintreten, redete ein bischen länger als nötig
über die Bestimmung solcher Hausaltärchen, um
die Spannung zu steigern, und öffnete dann
endlich den güldenen Schrein. Von dem Augen-
blicke hatte ich für das Trecento gewonnenes
Spiel. Die Pazzikapelle und die alte Sakristei
in San Lorenzo wirkten stärker als der Chiostro
dello Scalzo und der Annunziata-Vorhof; wie
denn überhaupt die Hochrenaissance und der
Barock etwas zu kurz kamen. Bologna machte
das wieder gut. Ganz überraschend war in
Padua die Teilnahme für Altichieros Kapellen,
deren farbiger Duft sofort bestach. Interessant
war auch, daß Giottos Arena stärkere Eindrücke
hinterließ als Mantegna.
Aus den Debatten über plastische Meister-
stücke blieb mir die über den Gattamelata in be-
sonderer Erinnerung. Ich versuchte zu begründen,
warum das Gattamelata höher stände als der
Colleoni; aber ich habe nicht überzeugt. Beim
David Michelangelos widerstand ich der Ver-
suchung, auf das Unerfreuliche hinzuweisen; aber
oben auf dem Piazzale regte sich von selbst der
Protest. — Das kunsthistorische Institut hatte
die Freundlichkeit, 2 Sitzungen mit allgemeineren
Thematen abzuhalten, wo Direktor Brockhaus,
Dr. Bombe, Frl. Dr. Schottmüller, Dr. Willich,
Dr. Corwegh und Dr. Hopfen sprachen. Außer-
 
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