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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0224

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

in den Monographien nicht veröffentlicht wur-
den, das will heißen, meist also überhaupt noch
nicht reproduzierte Abbildungen. Er will die
Kenntnis der deutschen Volkskultur verbreiten,
verfolgt aber erst in zweiter Linie speziell
wissenschaftliche Zwecke, und diese Absicht
rechtfertigt vollkommen die Anordnung des
Stoffes nach sachlichen und chronologischen Ge-
sichtspunkten.
Die Inkunabeln des Kupferstiches machen
den Anfang. Die überragende Bedeutung des
Meisters E. S. und des Meisters des Hausbuches
kommt gut zum Ausdruck. Die übrigen Früh-
stecher sind mit charakteristischen Blättern ver-
treten, so der Meister mit den Bandrollen mit
dem originellen Streit der Weiber um die
Männerhosen, der Meister der Liebesgärten mit
seinen beiden Hauptblättern, der Meister b x 8
(merkwürdigerweise bg gelesen!) mit dem reiten-
den Liebespaar. Audi unter den Holländern
fehlt kein bedeutenderer Name; der Meister
von Zwolle, der sehr gut vertretene von Mecke-
nem, von dem man u. a. das große Fest des
Herodes sieht, jene wahre Fundgrube für den
Kostümforsdier, der Meister M. Z., dessen Ball-
fest passend der Tanzgesellschaft des Lucas
van Leyden gegenübergestellt ist. Die Inku-
nabeln des Holzschnittes setzen mit einigen
interessanten Tafeldrucken ein, darunter dem
kuriosen Blatt des Hanns Paur, das in 24 Ab-
bildungen eine Inventaraufnahme der haupt-
sächlichsten zur Ehe nötigen Hausgeräte gibt.
Von der frühesten illustrierten Buchliteratur fin-
det man das Wichtigste in meist mehreren Bei-
spielen vor; der Augsburger Frühdruck ist durch
Schnitte aus Drucken des Johannes Bämler, der
Melusine, der Historie der Sigismunda und
Rodoricus Zamorensis: Spiegel des mensch-
lichen Lebens vertreten. Den Basler Frühdruck
lernt man in Schnitten aus dem Spiegel der
menschlichen Behältnis, den Lübecker aus Ru-
dimentum Noviciorum, den Kölner aus der 1499
datierten Koelhoffschen Chronik von Köln, den
Ulmer aus dem von Leonard Holl 1484 ge-
druckten Buch der Weisheit kennen. Von 1500
rund gerechnet an werden die Techniken nicht
mehr getrennt, der Gegenstand der Darstellung
wird Haupteinteilungsprinzip. Zunächst wird
uns das Leben des Bauern, zuerst das des
arbeitenden Bauern vorgeführt, vorzüglich
eingeleitet durch neun Schnitte aus Crescentius,
Nutz der Ding, die im Acker gebaut werden.
Wir werden bekannt mit dem Metier des Hir-
ten, des Pflügers, des Säemanns, des Gärtners,
des Schmiedes, des Imkers, des Fischers, kurz
in alle Vorkommnisse der bäuerlichen Arbeit
eingeweiht. Der feiernde Bauer hat in H. S.

Beham seinen Hauptinterpreten gefunden. Aus-
gelassene Tanzszenen, wüste Saufgelage, die
mit Schlägereien oder Unanständigkeiten enden,
sind das übliche, aber auch das ehrbar im Sonn-
tagsstaat zur Kirche wandelnde Bauernpaar
kommt vor. Darauf folgen Darstellungen aus
dem Leben des Bürgers, eingeleitet durch
24 Schnitte aus den kulturhistorisch wie künst-
lerisch gleich wertvollen Illustrationen des Hans
Weiditz zu Petrarka Trostspiegel. Daran
schließen sich einige Trachtenbilder, Darstel-
lungen aus dem Gewerbe des Buchdruckers,
daran die einzelnen Gelehrtenberufe, endlich
Porträtschnitte berühmter Gelehrter und Refor-
matoren. Über die das Zeitalter bewegenden
religiösen Vorstellungen berichten Blätter
wie der Antichrist aus der Schedelschen Chro-
nik, die Prozession aus dem Schatzbehalter,
Ablaßverkauf, Luthersche Thesenansdilag usw.
Die Schrecknisse des mittelalterlichen Redits-
wesens illustrieren besonders drei Schnitte
aus dem bei Othmar in Augsburg 1509 er-
schienenen Laienspiegel, darunter eine wahre
Musterkarte der mittelalterlichen Strafen. Mit
dem Gerichtswesen hängen Aberglauben und
Hexenwesen eng zusammen. Das Kapitel
„Kunst und Künstler" macht uns bekannt
mit den Beschäftigungen des Malers, Bildhauers,
Goldschmiedes, des Instrumentenbauers, Geo-
meters, Astronomen. Namentlich die beiden
Monatsbilder des Mercurius, wovon das eine
einem älteren niederländischen Blockbuch ent-
nommen ist, das andere H. S. Beham zum Ver-
fasser hat, sind in dieser Hinsicht aufschlußreich.
Nach einigen Todesdarstellungen, unter
denen man ungern Burgkmairs „Tod als Wür-
ger" vermißt, folgt der Abschnitt „Frauen und
Liebe", der die Freuden der Liebe, Ehe und
Mutterschaft, aber auch die Kehrseite der Me-
daille: Weiberlaunen, Ehezwistigkeiten, käuf-
liche Liebe und Ehebruch behandelt. Daran
reihen sich Tanz- und Musikszenen, so-
dann Bilder aus Hauswesen und Küche,
letztere eröffnet mit dem Faksimile eines mit
Holzschnitt gezierten Flugblattes mit dem lau-
nigen Hans Sachsschen Gedicht: Rat zwischen
dreyerley Heyrat. Die Geheimnisse des Küchen-
betriebes bereiten auf die Tafel- und Trink-
szenen vor. Über das Handwerk orien-
tieren 12 Blätter von Jost Amman aus: Be-
schreibung aller Stände. Unter den Spielen
interessiert besonders Die Kegelbahn im Freien
nach einem Christoph Maurerschen Schnitt.
Szenen aus dem Schützenwesen leiten end-
lich zu den Bildern aus dem Leben der Vor-
nehmen über, dessen Schlagworte Turnier und
Jagd lauten. Mit Darstellungen aus dem Kriegs-
 
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