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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 6
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0566

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

scheint Sargent ein gemütlicher Spießer diesem
Schnellmaler gegenüber. Man bedauert, daß
nichts ausreift, alles nur im ersten Anhieb stecken
bleibt, freilich der beschränkten Art des Künstlers
wegen eben darin stecken bleiben muß. —
Mr. Charles Booth hat das vielgesehene, viel-
gewanderte, vielbewunderte und vielverurteilte
„Licht der Welt" von Holman Hunt, diese eng-
lische Puritanerdarstellung Christi, dem St. Pauls-
dome als Geschenk überwiesen, und es wird
nahe bei Watts anders geartetem „Zeit, Tod
und Gericht" aufgehängt werden. — Die Britische
Archäologische Schule in Rom arbeitet schon
lange an einem ausführlichen wissenschaftlichen
Katalog des Kapitolinischen Museums unter der
Redaktion des Mr. H. Stuart Jones, früheren
Direktors der Schule. Dr. Ashley, der jetzige
Direktor, kündet nun dessen Erscheinen für den
Beginn des nächsten Jahres an. — Im ver-
gangenen Monat war hier die Rede von dem
ewigen Rühren der Werbetrommel zur Erhaltung
der alten Bauwerke. Diesmal fordert man
mehrere tausend Pfund, um die Ruinen der
Glastonbury Abtei der Nation endgiltig zu er-
halten. Diese Abtei hat freilich ein besonderes
Anrecht auf die Freigebigkeit und Verehrung
aller Briten, sächsischer oder keltischer Abstam-
mung, denn sie steht im Dichterlande Avalon,
in dem einst König Arthus und die Seinen ge-
weilt, und wo der heilige Graal aufbewahrt
wurde. Wahrscheinlich ist sie die früheste
christliche Ansiedlung in England. Im vorigem
Jahre nun kam die Ruine auf die öffentliche
Auktion! Sie brachte 30000 ^, für welche
Summe ein Mr. Jardine sie erstand, um sie dann
dem Bischof von Bath auszuliefern, der sie der
englischen Staatskirche für die Nation übergab.
Nun heißt es noch einiges von jener Summe
abzuzahlen. Also wird wieder eine öffentliche
Versammlung ausgeschrieben und der Hut herum-
gereicht! Und dabei stellt sich Minister Harcourt
hin und hält jene zum Teil das letzte Mal schon
angeführte Rede, um darzutun, was die Regie-
rung alles für die Kunst und die Erhaltung alter
Kunstwerke tue! Um letzteres zu beweisen,
erzählte er seinen Zuhörern, daß er die Rubens-
decke in der Banketthalle in Whitehall sofort
habe instand setzen lassen, als er von ihrem
ruinösen Zustande gehört hätte. Das ist per-
sönlich sehr anerkennenswert, gewiß, aber was
die Regierung in England für die Kunst tut, ist
doch herzlich wenig. Hierzulande soll eben alles
aus privater Initiative hervorgehen. Dadurch
gerät man aber auf dem Gebiete der Künste oft
ins Hintertreffen. F.

DIE GEISTERKARAWANE IN
FLORENZ
Bisher tauchte sie bekanntlich nur in Rom
und Athen auf; in diesem Jahre hatte sich das
preußische Ministerium zum erstenmal ent-
schlossen, 25 Gymnasialdirektoren u. Professoren
nach Toscana auszusenden, weil die Renaissance-
kultur diesmal das eigentliche Thema sein sollte.
Freilich gingen die Fragen der erstaunten Rei-
senden oft ins frühe Mittelalter zurück, und ich
entschloß mich auf der Rückreise zu einem Ab-
stecher nach Ravenna, weil hier der Zusammen-
hang der christlichen Kultur mit der antiken
Welt, sieht man von Rom ab, am besten erlebt
werden kann. Das Zentrum blieb aber Florenz,
zumal hier das kunsthistorische Institut uns die
weitgehendste Gastlichkeit gewährte; um die
Florentiner Eigenart schärfer zu erfassen, wurde
der Ausflug nach Siena, S. Gimignano und Pisa
in die Florentiner Wochen eingeschoben, nicht
an das Ende der Zeit gelegt. Auf der Rückfahrt
wurde Pistoia, Bologna, Ravenna, Ferrara und
Padua besucht. Vicenza und Verona waren auch
vorgesehen, wurden aber dann zu gunsten Ra-
vennas aufgegeben.
Es war keine Bärenführerei, wie vielleicht
manche teueren Kollegen vermuten, sondern
ein allmähliches Sicheinarbeiten, freilich unter
Anspannung aller Kräfte. Es ließ sich nicht
vermeiden, daß die Tagesrationen zu groß
wurden; aber die Ernte sollte ja auch erst da-
heim eingebracht werden, unten luden wir nur
die Wagen auf. Vor allem handelte es sich ja
nicht um Kunsthistoriker oder gar Blasierte,
sondern um Historiker und Philologen, die in
harter Arbeit stehen und freudig die Gelegen-
heit ergriffen, einmal das Lehren mit dem Lernen
zu vertauschen. Es war eine Herzensfreude, zu
sehen, wie froh sie zugriffen, wie wohl es ihnen
tat, neue Maßstäbe zu gewinnen und eine Er-
frischung des ganzen Wesens zu erleben. Es
sollten durchaus nicht Lehrer für den kunst-
historischen Unterricht herangebildet werden.
Gewiß wird dies Gebiet sich auch auf den Gym-
nasien mehr und mehr durchsetzen, um nicht
als Sondergebiet, sondern von den zwei hier-
für Berufenen, vom Historiker und vom Zeichen-
lehrer, gepflegt zu werden. Es ist lächerlich,
wenn auf der Schule von Titus Sempronius und
Grachus ausführlich die Rede ist, dagegen nie
von Donatello oder Grünewald. Aber wir haben
vorläufig noch nicht die Männer, die diesen
Unterricht im Zusammenhang vortragen könnten
und auch nicht die Lehrpläne, die dafür Raum
lassen (man hat deshalb hier und da fakul-
tative Kurse der Kunstgeschichte in den obersten

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