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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Escher, Konrad: Die sizilische Villa beim Übergang vom Barock zum Klassizismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0020

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Längsfluchten gegliedert werden und da nun der Hof, der hier keine Säulen zeigt,
noch an die Straßenflucht grenzt und nicht, wie bei den palermitanischen Palästen,
erst durch ein Vestibül zugänglich ist, so konnten die ihn begrenzenden Flügel-
bauten vorn durch einen eingeschossigen Torbau (Abb. 9) verbunden werden, so daß
auch die Bogenstellung des Hauptgeschosses noch für die Fassadenwirkung in
Kraft trat. Mochte auch die rechteckige Loggia, welche das Ganze bekrönt, erst
später gebaut worden sein, so war sie, als für die Akzentuierung des Ganzen un-
entbehrlich, doch wohl schon von Anfang an geplant. Sie bildet das Gegenstück
und den Abkömmling der zahlreichen Turmloggien auf den sizilischen Klosterkirchen,
welche zum Straßen- und Stadtbild so wesentlich beitragen. (Zahlreiche in Pa-
lermo, Noto und Catania.) Den Längsfluchten des Hofs wie den Außenseiten in
ihrer gesamten Ausdehnung ist die ruhige Flächenhaftigkeit gewahrt; das Ver-
hältnis der Fenster und übrigen Wandgliederungen zur Fläche ist sehr fein ab-
gewogen und steht in direktem Gegensatz zur barocken Stilempfindung, welche die
Fläche durch die dekorative Gliederung tunlichst verdrängt und erdrückt. (S. Nicola
dei Benedettini in Catania, Casa Xirinda in Trapani, Municipio in Acireale u. a. m.).
Gleichwohl erhält sich auch hier noch die Gewöhnung an die Betonung der Vertikal-
gliederung durch Quaderung sowie der Eckpilaster und viel mehr noch die unmittel-
bare Vereinigung der Ober- und Erdgeschoßfenster durch den Balkon mit seinen
starken Konsolen, wie sie den Palastbau Palermos und zahlreicher Provinzstädte
charakterisiert. (Modica, Noto, Marsala.) Die Horizontalteilung tritt als flacher
Riemen vollkommen (Abb. 10) zurück. So zahm auch absichtlich die fast relieilos
gehaltenen Pilaster erscheinen, so empfand man sie, besonders an den gedehnten
Längsfluchten und als Gegengewicht gegen die ununterbrochene Horizontale von
Gesimse und Attika als notwendig. Die Masse als Ganzes wirkt schwerfällig, aber
die Einzelgliederung zeigt saubere Korrektheit. Die Hofseite offenbart ein speziell
dem sizilischen Barock fremdes Gefühl für Proportionen. — Von dem die Achse
bezeichnenden Korridor aus weitet sich das Treppenhaus in der Mitte des ganzen
Gebäudes gleichmäßig nach beiden Seiten; die Treppen sind dreiarmig um einen
schmalen Lichtschacht herumgeführt. In der Kombination von Hof, Vestibül und
Treppe zeigt der barocke Palastbau Siziliens und speziell Palermos eine über-
raschende Mannigfaltigkeit, der allerdings die hohe, imposante Gesetzmäßigkeit dei-
genuesischen Paläste vollkommen fehlt; gleichwohl ist dem unbekümmerten, drauf-
gängerischen Provinzialismus manch geschickter Wurf gelungen. Im palermitani-
schen Palastbau ist die Treppenanlage meist als Endpunkt der Perspektive gedacht;
die für die Villa anscheinend notwendige Durchfahrt beließ die Treppen, wenn
sie einmal ins Innere verlegt wurden, auf beide Seiten, wie es auch in Palästen
einzelner Provinzstädte der Fall ist.
Der Wert der eingeschossigen Villen beruht weniger in ihrer Gliederung, als
vielmehr in ihrer bildlichen Funktion als Abschluß einer Perspektive. Villa Butera
beherrscht die ansteigende Hauptstraße von Bagheria; zu Villa Scaduto führt
ein langer Weg mit Toren den Berg hinauf; mit Treppen mündet er auf der Ter-
rasse, die sich vor der rhythmisch durch Pilaster gegliederten Front ausbreitet.
Einfach und klar ist auf der Rückseite der wichtigste Gedanke der Villen Valguarnera,
Palagonia und Resuttana wiedergegeben: den Hof umschließen im Halbkreis die
schmucklosen Ökonomiegebäude, und den Scheitel dieses Halbkreises bezeichnet
die Kapelle. Auf architektonische Gruppierung wurde also selbst bei bescheidenen
Dimensionen nicht verzichtet. Villa Spucches erhebt sich hinter einem vier-
eckigen, allseitig eingefaßten Hof, und Villa Manzerino in Sta. Flavia (neben

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