übrigen Szenen zusammen, zeigt keine gotischen Einrahmungen. Ihrem vor-
geschrittenen Stile nach können diese Malereien nicht vor 1350 entstanden sein.
Während die Fresken der Nylarskirche mit einer starken Farbenfreudigkeit aus-
geführt sind und die Figuren sich von blauem Grunde lebhaft abheben, wiegen in
den Malereien der Österlarskirche graue, rötliche und gelbliche Töne vor, die auf
weißem Grunde stehen; allerdings muß zugegeben werden, daß die Farben hier
einen großen Teil ihrer Frische eingebüßt haben. Auch die Technik ist verschieden:
In der Nylarskirche handelt es sich um wirkliche Fresken, während hier die
Temperafarben auf die trockene Wand aufgetragen sind. Von körperlicher Durch-
bildung ist bei den Fresken der Österlarskirche kaum die Rede; die Schattierung
der Flächen fehlt gänzlich und die Gesichter tragen alle den gleichen seelenlosen
Ausdruck. Ohne daß sich im einzelnen Entlehnungen von Motiven nachweisen
lassen, scheint es, als ob diese Arbeiten von französischen und deutschen Vor-
bildern beeinflußt sind, die ja eine unerschöpfliche Fundgrube für die nordischen
Künstler des Mittelalters bildeten1). Der einheitliche Gedanke, der dieser zyklischen
Darstellung zugrunde liegt, ergibt sich aus den kirchlichen Sterbegebeten, wie sie
im Anhang zum Breviarium Romanum vorliegen: Die Erlösung der Welt durch
Christus, die Fürbitte der heiligen Märtyrer und der Apostel, die nach dem dritten
Sterbegebete am Tage des Jüngsten Gerichts ihren Beistand leisten: „Iudex Aposto-
lorum tibi senatus adveniat, candidatorum tibi Martyrum exercitus obviet/, Eine
der nächsten Gebetsformeln lautet: „Ignores omne quod horret in tenebris, quod
stridet in flammis, quod cruciat in tormentis“; darum bildet der Höllenrachen mit
den Gestalten der Verdammten den Abschluß der Bilderfolge. Es liegt nahe, daß
der Gottesdienst für die Verstorbenen den in der Kirche versammelten Leidtragen-
den vor allem das Wunder der Erlösung und das Jüngste Gericht in die Erinnerung
rufen sollte. Wenn die ergreifenden Worte des „Dies Irae“ während des Trauer-
gottesdienstes erklangen, dann wirkte die bildliche Schilderung des Jüngsten Gerichts
gewiß um so gewaltiger.
Die Kanzel trägt das Datum 1595. Um die Innenseite des Rundhauses lief früher
eine niedrige Steinbank, von der noch ein Stück erhalten ist. Von der Nordseite
des Chors führt die Treppe durch die dicke Mauer zum zweiten Stockwerk. Der
Mittelpfeiler ist hier ebenfalls hohl und hat zwei Eingänge. Durch eine Rundbogen-
tür kann man auf das Dach des Chorbaues gelangen. Der hohle Mittelpfeiler des
dritten Stockwerks hat nur einen Eingang. Die dicke Außenmauer schließt einen
Wächtergang ein, dessen Fußboden fast einen Meter über demjenigen des inneren
Raumes liegt. Hier finden sich wieder Spuren von Ablauf löchern. Das spitze
Dach ist ebenso wie die übrigen Dächer mit Schindeln gedeckt. Auf dem Mittel-
stolpen las ich die Jahreszahl 1744. Der runde Torbogen des nördlichen Eingangs
ist mit einem Kreuz und Blattornamenten verziert, Dekorationsmotive, die sich
sonst bei den Bornholmer Kirchen nicht finden. Als Baumaterial ist hauptsäch-
lich Granit verwendet. Die Mauern sind durch mächtige äußere Stützpfeiler ab-
gesteift.
Die nördlichste der vier Rundkirchen ist die Oieskirche, die eine halbe Meile
von der Stadt Allinge entfernt auf der Kuppe eines weit sichtbaren Hügels liegt
und so einen trefflichen Orientierungspunkt gewährt. Sie ist aus unbehauenen
Feldsteinen erbaut und besteht aus einem Rundhaus, daran anstoßenden Chor mit
Chorrundung und einem später angebauten Waffenhaus. Ein Mittelpfeiler mit
(1) Kornerup: „Minder om Cisterzienser Klosteret i Esrom“ in Aarböger for n. Oldk. 1879, p. 6 ff. —
Laske, loc. eit., p. 515 f.
97
Monatshefte für Kunstwissenschaft, IX. Jahrg., 1916, Heft 3
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geschrittenen Stile nach können diese Malereien nicht vor 1350 entstanden sein.
Während die Fresken der Nylarskirche mit einer starken Farbenfreudigkeit aus-
geführt sind und die Figuren sich von blauem Grunde lebhaft abheben, wiegen in
den Malereien der Österlarskirche graue, rötliche und gelbliche Töne vor, die auf
weißem Grunde stehen; allerdings muß zugegeben werden, daß die Farben hier
einen großen Teil ihrer Frische eingebüßt haben. Auch die Technik ist verschieden:
In der Nylarskirche handelt es sich um wirkliche Fresken, während hier die
Temperafarben auf die trockene Wand aufgetragen sind. Von körperlicher Durch-
bildung ist bei den Fresken der Österlarskirche kaum die Rede; die Schattierung
der Flächen fehlt gänzlich und die Gesichter tragen alle den gleichen seelenlosen
Ausdruck. Ohne daß sich im einzelnen Entlehnungen von Motiven nachweisen
lassen, scheint es, als ob diese Arbeiten von französischen und deutschen Vor-
bildern beeinflußt sind, die ja eine unerschöpfliche Fundgrube für die nordischen
Künstler des Mittelalters bildeten1). Der einheitliche Gedanke, der dieser zyklischen
Darstellung zugrunde liegt, ergibt sich aus den kirchlichen Sterbegebeten, wie sie
im Anhang zum Breviarium Romanum vorliegen: Die Erlösung der Welt durch
Christus, die Fürbitte der heiligen Märtyrer und der Apostel, die nach dem dritten
Sterbegebete am Tage des Jüngsten Gerichts ihren Beistand leisten: „Iudex Aposto-
lorum tibi senatus adveniat, candidatorum tibi Martyrum exercitus obviet/, Eine
der nächsten Gebetsformeln lautet: „Ignores omne quod horret in tenebris, quod
stridet in flammis, quod cruciat in tormentis“; darum bildet der Höllenrachen mit
den Gestalten der Verdammten den Abschluß der Bilderfolge. Es liegt nahe, daß
der Gottesdienst für die Verstorbenen den in der Kirche versammelten Leidtragen-
den vor allem das Wunder der Erlösung und das Jüngste Gericht in die Erinnerung
rufen sollte. Wenn die ergreifenden Worte des „Dies Irae“ während des Trauer-
gottesdienstes erklangen, dann wirkte die bildliche Schilderung des Jüngsten Gerichts
gewiß um so gewaltiger.
Die Kanzel trägt das Datum 1595. Um die Innenseite des Rundhauses lief früher
eine niedrige Steinbank, von der noch ein Stück erhalten ist. Von der Nordseite
des Chors führt die Treppe durch die dicke Mauer zum zweiten Stockwerk. Der
Mittelpfeiler ist hier ebenfalls hohl und hat zwei Eingänge. Durch eine Rundbogen-
tür kann man auf das Dach des Chorbaues gelangen. Der hohle Mittelpfeiler des
dritten Stockwerks hat nur einen Eingang. Die dicke Außenmauer schließt einen
Wächtergang ein, dessen Fußboden fast einen Meter über demjenigen des inneren
Raumes liegt. Hier finden sich wieder Spuren von Ablauf löchern. Das spitze
Dach ist ebenso wie die übrigen Dächer mit Schindeln gedeckt. Auf dem Mittel-
stolpen las ich die Jahreszahl 1744. Der runde Torbogen des nördlichen Eingangs
ist mit einem Kreuz und Blattornamenten verziert, Dekorationsmotive, die sich
sonst bei den Bornholmer Kirchen nicht finden. Als Baumaterial ist hauptsäch-
lich Granit verwendet. Die Mauern sind durch mächtige äußere Stützpfeiler ab-
gesteift.
Die nördlichste der vier Rundkirchen ist die Oieskirche, die eine halbe Meile
von der Stadt Allinge entfernt auf der Kuppe eines weit sichtbaren Hügels liegt
und so einen trefflichen Orientierungspunkt gewährt. Sie ist aus unbehauenen
Feldsteinen erbaut und besteht aus einem Rundhaus, daran anstoßenden Chor mit
Chorrundung und einem später angebauten Waffenhaus. Ein Mittelpfeiler mit
(1) Kornerup: „Minder om Cisterzienser Klosteret i Esrom“ in Aarböger for n. Oldk. 1879, p. 6 ff. —
Laske, loc. eit., p. 515 f.
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Monatshefte für Kunstwissenschaft, IX. Jahrg., 1916, Heft 3
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