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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Kutschera-Woborsky, Oswald: Giovanni Battista Tiepolos Decke des "Merito" im Palazzo Rezzonico zu Vendig
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0184

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tige Anhaltspunkte für die Arbeitsweise Tiepolos gewährt1 2). Mit Ausnahme einer
Zeichnung des Berliner Kupferstichkabinettes für die Mittelfigur des sitzenden
Heros, die Paul Kristeller publizierte-), und einem ikonographisch verwandten Ent-
wurf in Stuttgart3) waren für dieses Fresko bisher keine weiteren Vorstudien be-
kannt.
Gehen wir nun auf die stilistische Betrachtung des Plafonds über, für die uns
die Wiener Zeichnung interessante Vergleichungsmomente bietet, so genügt eine
oberflächliche Bekanntschaft mit den Werken unseres Meisters, um hier viele ge-
läufige Requisiten und Motive wieder zu erkennen. Die Verwendung des Monop-
teros, das Vorkommen der Gestalt mit der Sonnenscheibe und jener herabschwebend
in Fanfaren stoßende Genius4) (Renommee) läßt sich in mehreren Beispielen und oft
in fast kongruentem Aussehen bei Tiepolo nachweisen. Unverkennbar zeigt die zu-
letzt erwähnte Figur in der Wiener Skizze eine gewisse Unsicherheit, die sofort
erklärt wird, wenn man weiß (was bis jetzt immer übersehen wurde), daß diese
Gestalt nichts anderes ist, als eine fast wörtliche Kopie aus Paolo Veroneses be-
rühmten Deckengemälde im großen Saale des Dogenpalastes, wo ein ganz ähn-
licher Genius herabschwebend die Stadtgöttin mit dem Lorbeerkranz bekrönt (Abb. 6).
Und es ist wichtig, zu erkennen, wie in der Zeichnung im Sinne des Veronese-
Bildes die gekrümmten Arme viel näher aneinander gerückt erscheinen5 6) (das
Reichen des Kranzes) im Gegensätze zum ausgeführten Rezzonico-Plafond, wo diese
weit ausgestreckt die Fanfaren halten. Der klassische Typus des sitzenden Heros,
dessen ikonographische Bedeutung wir später erläutern wollen, gemahnt uns
sofort an den Gesichtsausdruck jener antiken Porträtbüsten, die Tiepolo für die
„Verona illustrata“ des Marchese Scipione Maffei reproduzierte0), ein besonders
wichtiges Kapitel für die Erklärung des Stiles und der Entwicklung unseres Mei-
sters, das an einem anderen Ort näher beleuchtet werden soll. Eine Nebenein-
anderstellung der Wiener Zeichnung und des ausgeführten Plafonds aber ergibt
das Vorhandensein mannigfacher Abweichungen. Die Szenerie, die Versatzstücke,
Kulissen und Personen sind im wesentlichen die gleichen. Im Kompositions-
prinzip dagegen liegen bedeutsame Unterschiede vor. In der Vorzeichnung ist die
Figur des „Heros“ freischwebend beinahe in die Mitte des fast kreisförmigen
Ovales gestellt, di6 Kurve des Rundtempels nur leicht angedeutet und im stumpfen
(1) Wien, Bibliothek der Akademie der bildenden Künste, Inv.-Nr. 2724, Papier weiß, Feder, braun
laviert, H. 56, 5, B. 43. Ein Wasserzeichen konnte wegen der allzu festen Kaschierung nicht fest-
gestellt werden. Ich bin den Herren Direktor Dr. Josef Dernjac und Dr. Erich Strohmer an der ge-
nannten Bibliothek zu herzlichem Dank für ihre freundliche Unterstützung verpflichtet. Von derselben
Hand wie die Randbemerkungen scheint die knapp an der unteren Kante des Blattes erscheinende, teil-
weise überschnittene Schrift „G. B. Tiepolo“ herzurühren, während der Name „Fr. Guardi“ zwar den
gleichen Zug, aber eine dunklere Tinte zeigt. Für den Ductus erinnern wir an das von Sack (S. 63)
publizierte Faksimile nach einem Briefe Giovanni Battistas, wo einzelne bestehende Unterschiede in
dem verschiedenen Zweck (flüchtige Korrespondenz und „gemalte“, voneinander getrennte Schrift-
zeichen im Sinne der Legenden auf architektonischen Plänen) erklärt werden. Guardi war bekannt-
lich seit dem Jahre 1719 der Schwager Tiepolos. (Vgl. die Zeichnung mit der Inschrift „Lo fece il
Tiepolo e me lo dono: Juseppino Guardi. Molmenti, S. 223, Simonson, Monatsh. f. Kunstw. II, S. 397.)
(2) Kunst und Künstler, Berlin 1912, S. 495.
(3) Sack a. a. O., Abb. 98.
(4) Vgl. Verona Palazzo Canossa (phot. Naya 1113).
(5) Vgl. Sack, Abb. 136 a.
(6) Man vergleiche auch manche von Rembrandt beeinflußte Typen der Radierungsfolgen in den
„Serie delle teste“ (de Vesme 164), in den „Scherzi“ (Vesme 18 und 24).

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