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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Biehl, Walther Richard: Die "Madonna Sacchetti": ein unbekanntes Bild aus Fra Bartolommeos Werkstatt in S. Marco
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0250

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ihres altvertrauten Altarbildes nicht bemerken sollten. Dem Photographen wurde
bedeutet, daß ein reicher ausländischer Liebhaber für das Bild Interesse habe. Für
den Fall eines Verkaufs wurden ihm Prozente in Aussicht gestellt.
Bald darauf suchte sich aber der Eigentümer des unbequemen Mitwissers zu
entledigen. Er teilte dem Photographen mit, daß ihn der Handel reue und daß er
auf weitere Verkaufsabsichten verzichte. Das Bild blieb fürs erste im Verborgenen.
Nach Jahr und Tag wurde es von den Erben des inzwischen verstorbenen
Sacchetti in der Galerie des Palazzo Strozzi als anonymes Werk zum Verkauf
ausgestellt. Als sich dann — wie bereits gesagt — einige Florentiner Kunstsach-
verständige für die Autorschaft Fra Bartolommeos ausgesprochen, verschwand das
Bild plötzlich wieder aus der Öffentlichkeit.
Von vornherein ist zuzugeben, daß das Werk viel von der Art des Frate an sich
hat. Der fein abgewogene, strenge Aufbau der Dreieckskomposition, die harmonische
Zusammenordnung der Figuren, die klare Durchbildung des Kontrapostes, die schwung-
volle Drapierung der Gewänder und die weiche, volle Bildung der würdevoll-
getragenen Typen lassen unwillkürlich an den Mönch von S. Marco denken.
Freilich darf man nicht die noch quattrocentistisch befangenenjugendärbeiten, —
das jüngste Gericht aus Sta. Maria Nuova (1498/99) oder das zarte, kleine Flügel-
altärchen der Uffizien — zum Vergleich heranziehen. Auch nicht die Werke der
frühen Meisterschaft, wie die Erscheinung der Madonna vor St.Bernhard (1504).
Man muß schon mitten hineingreifen in die ausgereiften, abgeklärten Kompositionen,
die nach dem bedeutungsvollen venezianischen Aufenthalte vom Jahre 1508 ent-
standen, um überzeugende Verwandtschaftszüge aufweisen zu können.
Mit der Aufgabe, die thronende Madonna inmitten eines Hofstaates von Heiligen
vor einer Nische darzustellen, hat sich Fra Bartolommeo etwa seit 1509 ein-
gehend beschäftigt. Es ist dies die Zeit, als er, um die Fülle der an ihn heran-
tretenden Aufträge zu bewältigen, in S. Marco eine große Werkstatt gemeinsam
mit Mariotto Albertinelli einrichtete und zahlreiche Schüler bei sich beschäftigte.
Damals setzte er die reichen Anregungen, die ihm Venedig und vor allem Giovanni
Bellini geschenkt hatte, in einen strengen Monumentalstil von florentinischer Aus-
prägung um. Aus Venedig brachte er dazu das fruchtbare Darstellungsmittel der
„Nische“, d. h. der architektonischen Abschluß wand mit, das der bis dahin haupt-
sächlich plastisch interessierten Florentiner Malerei für die Herausarbeitung be-
stimmender kompositioneller Linien und für die gesetzmäßige Verwendung von
luftperspektivischen Elementen ganz neue, ungeahnte Möglichkeiten eröffnete. „Er
als erster in Florenz“, — sagt Knapp in seinem grundlegenden Buche über Fra
Bartolommeo1), — „benützt die großen Licht- und Schattenwirkungen, welche
starkes Seitenlicht bei der nach hinten sich aushöhlenden Nische in anderer Rich-
tung als die nach vorne sich bildenden, davorstehenden Gestalten hervorbringt, zu
großen Lichtkontrasten. So finden die Figuren, die Formen, hier hell beleuchtet,
dort in Schatten versenkt, entgegengesetzten, bald dunklen, bald hellen Hintergrund
und heben sich außerordentlich plastisch davon ab“. „Darin, wie er den fein-
gegliederten Aufbau, die sicheren Horizontalen und Vertikalen (der architektoni-
schen Schlußwand) als Richtungslinien für die feineren Bewegungen der Figuren,
für den zartesten Schwung der Silhouetten höchst geistreich ausarbeitet, charakte-
risiert sich eigentlich die echt florentinische, die persönliche Eigenart der Kunst
des Bartolommeo“.

(1) Fritz Knapp, Fra Bartolommeo della Porta und die Schule von San Marco, S. 97/98. Halle a. S., 1903.
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