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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Raehlmann, Eduard: Die Stelleung der Temperamalerei in der Kunst der verschiedenen Zeitepochen
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0428

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Diese für Temperamalerei erprobten und hochgeschätzten Farben konnten nicht
ohne weiteres nun auch in Öl angewendet werden.
Ein Teil derselben, namentlich blaue, grüne und gelbe (Lapis lazuli, Chrysokolla,
Auripigment) hatten in Öl bei weitem nicht die Farben- und Lichtwirkung wie in
Tempera.
Auf die Wirkung dieser Farben aber wollte man offenbar nicht verzichten.
Es bildete sich so eine Maltechnik aus, bei der Tempera- und Ölmalerei mit-
einander verbunden wurden. Man kann an Fragmenten der sog. „Ölgemälde“ dieser
Zeit einzelne Schichten oder einzelne Teile auffinden, die mit Leim, Gummi oder
Ei als Medium gemalt sind. Es ist auch gelegentlich Harzmalerei festzustellen. Bei
den mikrochemischen Untersuchungen ist das Verhalten gegen Alkohol bisweilen
schon entscheidend. Temperamalerei bleibt ganz unverändert, Öl-Harzmalerei nicht.
Bei vielen Bildern machte die mikroskopische Untersuchung einzelner, von ver-
schiedenen Stellen stammender Fragmente es wahrscheinlich, daß der Himmel in
Tempera, Mittel- und Vordergrund in Öl gemalt waren.
Häufiger erweisen sich zwei übereinander liegende Schichten der Fragmente in
verschiedenem Medium hergestellt. Man findet am häufigsten Tempera-Untermalung
und darüber eine Lasur mit Ölfarben. Auch das umgekehrte Verhältnis wird nicht
selten gefunden, eine Ölmalerei, die mit Tempera übermalt ist. Spätere Über-
malungen sind bei diesen Befunden, namentlich bei Übermalung mit Ölfarben auf
Temperagrund, freilich nicht immer mit Sicherheit auszuschließen.
Daß die Temperamalerei noch lange Zeit nach Einführung der Öltechnik, also in
den Zeiten nach den van Eycks, und in Italien nach Antonio da Messina gebräuch-
lich war, und daß die Meister dieser Zeit beide Techniken ausübten, dafür haben
wir eine Reihe von Zeugnissen in der Kunstgeschichte.
Das älteste und vielleicht das wichtigste aus der Zeit vor den van Eycks bei
Cennini, welcher beide Arten der Technik (vergl. oben) erwähnt und im Kap. 89
seines Werkes die Ölmalerei auf der Mauer oder auf der Tafel geradezu als
Methode der Deutschen bezeichnet1).
Cennini hält aber an der Temperamalerei als der vornehmsten Methode der
Malkunst fest.
Auch nach Cennini, bis ins 17. Jahrhundert hinein, ist die Temperatechnik neben
der Ölmalerei herrschend geblieben. Die Annahme, als reiche die Temperamalerei
nicht weiter als bis zu den Gebrüdern van Eyck und sei dann allgemein durch die
Ölmalerei ersetzt worden, muß als irrig bezeichnet werden. Im 15. und 16. Jahr-
hundert war die reine Temperamalerei noch immer in Gebrauch. Vielfach wurde
sie aber mit der Ölmalerei verbunden.
Wenn Vasari die Gemälde der Künstler, deren Leben er erzählt, aufführt, so
setzt er häufig nach Anführung eines einzelnen Bildes hinzu „in Öl“ oder „in
Fresko“. Von Rafael berichtet er, daß derselbe in Perugia (als Schüler des Peru-
gino) für Madonna degl Oddi auf einer Tafel ein Bild „in Öl“ gemalt habe. Das
Bild befinde sich jetzt im Vatikan; und ferner, daß er den Papst Julius II. „in Öl“
gemalt habe (das Bild befindet sich jetzt in der Galerie Pitti, Florenz).
(1) Das Werk Cenninis stammt übrigens aus Ende des 14. Jahrhunderts. Die Malerei der van Eycks
erregte erst um das Jahr 1420 Aufsehen. Wenn also Cennini von der Ölmalerei als Methode der
Deutschen spricht, so ist das ein Beweis mehr für die vielfach verbreitete Annahme, daß die Ge-
brüder van Eyck die Ölmalerei zwar nicht erfunden, wohl aber eine besondere Methode ihrer An-
wendung eingeführt haben.
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