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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Raehlmann, Eduard: Die Stelleung der Temperamalerei in der Kunst der verschiedenen Zeitepochen
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0429

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Im Leben des Tizian berichtet er, daß der Künstler auf Leinwand „in Öl“ ein
Bild gemalt habe für den Schwager des Sign. Giovanni da Castel Bolognesa (das
Bild befindet sich unter der Bezeichnung der drei Menschenalter in London).
Ferner habe Tizian den heiligen Markus zwischen mehreren Heiligen sitzend „in
Öl“ gemalt (kleine Tafel jetzt in der Sakristei von St. Maria della Salute).
Da nun Vasari von Rafael und Tizian eine ganze Reihe von Bildern anführt,
ohne betreffs des Mediums einen Zusatz zu machen, ist wohl anzunehmen, daß er
in den angeführten Beispielen das Medium Öl besonders hat betonen wollen.
Daraus folgt mit einiger Wahrscheinlichkeit, daß die übrigen Bilder in Tempera-
technik hergestellt waren. Für die Madonna Esterhazy des Rafael in der Fester
Galerie hat schon v. Frimmel (Handbuch der Gemäldekunde, Leipzig 1894, S. 42)
Temperamalerei nachgewiesen.
Es wurde aber schon oben hervorgehoben, daß vielfach einzelne Teile des Bildes
in Öl, andere Teile desselben Bildes in Tempera ausgeführt wurden, um den Effekt
bestimmter Farbstoffe voll ausnutzen zu können.
Nach Merrifield ist der blaue Himmel auf den Bildern des Perugino in Tem-
pera gemalt. Boschini (Venezia 1674) berichtet dasselbe von den Bildern des Paul
Veronese.
Die Methode, auf Ölmalerei einzelne Bildteile in Tempera zu malen, um be-
stimmte, nur in Tempera stehende Farben anbringen zu können, reicht noch ins
18. Jahrhundert hinein.
Die Methode wurde namentlich für blaue und grüne Farben benutzt und ist,
wie die mikroskopischen Untersuchungen zeigen, noch im 17. Jahrhundert viel an-
gewandt worden.
Das Mayerne-Manuskript enthält dafür ein wichtiges Zeugnis. Mayerne berichtet,
daß Ant. van Dyck blaue („Azure“) und grüne Farben mit Gummiwasser auftrage.
„Nachdem sie trocken sind, zieht er den Firnis darüber. Aber das Geheimnis be-
steht darin, die Tempera mit dem Öl haftbar zu machen, damit sie sich mit dieser
verbinden. Das geschieht am sichersten, wenn man den Grund mit Knoblauch-
oder Zwiebelsaft einreibt. Wenn dieser trocken ist, werden die Wasserfarben an-
genommen und festgehalten.“
Die Methode, die „Azure“ und die grünen, auch einzelne gelbe Farben in Tem-
pera aufzutragen, war allgemein und so regelmäßig, daß man sicher sein kann,
dort, wo man in den Malereien die erwähnten Farben antrifft, auf ein Tempera-
medium zurückschließen zu können.
Dabei ist die Größe der im Medium verriebenen Farbteilchen, die man bei mitt-
lerer Vergrößerung unter dem Mikroskope wiederfindet, bei diesem Rückschluß
von besonderer Bedeutung.
Das gilt namentlich für Auripigment, für Malachitgrün, insbesondere aber für
Lapis lazuli und Bergblau. Man findet sie im Temperamedium immer in gröberen
Körnern (als Pulver des gestoßenen bzw. grob verriebenen Minerals). Im Ölmedium
kann der Lapis lazuli nicht verwendet werden, weil er auch fein verrieben noch
immer zu körnig bleibt. In Öl wurde daher fast ausschließlich Ultramarin, d. h. ein
lackartiger Extrakt aus dem Mineral verwendet. Die Wirkung blieb aber meist
hinter der des Lapis lazuli im Temperamedium zurück.
Es läßt sich also aus dem Gesagten folgern, daß die Ölmalerei bis ins 18. Jahr-
hundert stark von der Temperamalerei abhängig geblieben ist.
Das bestätigt auch Pernety („Handlexikon der bildenden Künste“, Berlin 1764,
S. 83 des Anhanges), wenn er sagt: „Van Eycks Entdeckung nahmen die Maler
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