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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Semrau, Max: Zu Nikolaus Goldmanns Leben und Schriften, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0477

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Keine geometrische Spielerei, sondern eine wichtige Entdeckung war nach
der Auffassung Goldmanns und seinerZeitgenossen auch die Angabe einer mathe-
matischen Konstruktion für die Volute der Jonischen Säule, wie sie der
oben unter III angeführte Beitrag zu de Laets Vitruvausgabe enthält. Zur Her-
stellung dieser Volute gibt Vitruv (III, 5, 5f.) nur unvollständige und unklare
Vorschriften: die verhältnismäßig einfache Konstruktion Goldmanns mußte bei
der Bedeutung, die der Vitruvianischen Lehre von den Säulenordnungen bei-
gemessen wurde, als eine erlösende Tat erscheinen. Sie wurde von maßgebenden
französischen Theoretikern, wie Blondei und Daviler1) unter ausdrücklicher
Nennung des Autors angenommen, und Goldmann hat bei Lebzeiten wohl
durch nichts größeren Ruhm erworben, als durch diesen kurzen Aufsatz.
Praktischen Nutzen für das ganze Gebiet der angewandten Mathematik wie
der Befestigungskunst erstrebte auch die Abhandlung über den Proportional-
z irk e 1 (IV), d. h. ein Instrument, das gestattete, während die Zirkelweite einer
beliebigen Entfernung entsprechend gespannt wurde, an zwei anderen Punkten
der Zirkelstangen von selbst eine Entfernung abzulesen, die zur ersten in einem
gewünschten Verhältnis stand. Die Erfindung dieses Zirkels, die u. a. Galilei
für sich in Anspruch nahm, hatte schon seit Beginn des Jahrhunderts heftigere
literarische Streitigkeiten entfesselt, „als die ganze Sache verdiente“ 2); Goldmanns
Abhandlung greift aber nicht so sehr auf diese Prioritätsstreitigkeiten zurück,
sondern sucht den praktischen Nutzen der Erfindung im Sinne mathematischer
Schärfe und Genauigkeit darzulegen.
Ähnliche Zwecke in besonderm Hinblick auf die Vitruvianischen Studien ver-
folgt Goldmanns eigene Erfindung der „BauStäbe“, die er in seiner unter V an-
geführten Schrift veröffentlicht und erläutert. Es handelt sich um Maßstäbe
oder Lineale, auf denen die Verhältniszahlen der einzelnen Ordnungen so auf-
getragen sind, daß man danach die Höhenmaße wie die Ausladungen der Bau-
glieder geometrisch wie arithmetisch genau bestimmen kann3). Die Abfassung
in lateinischer und deutscher Sprache und die Widmung an die beiden fürst-,
liehen Persönlichkeit (s. oben S. 355) deuten wohl darauf hin, daß sich der Ver-
fasser von diesem stattlich gedruckten und mit einem Tafelband ausgestatteten
Werk eine besondere Aufnahme auch in weiteren Kreisen der Bauleute und
Bauherren versprach.
Mehr oder weniger dürfen alle diese Veröffentlichungen Goldmanns, wie er
es in der Vorrede zu IV auch selbst anzudeuten scheint4), als Vorarbeiten zu
seinem Hauptwerke, der „Civilb aukunst“, aufgefaßt werden, das ihm selbst
herauszugeben nicht mehr, beschieden war. Der Begriff der Architectura civi-
lis findet sich schon bei Joseph Furttenbach (1628) und erklärt sich am ein-
fachsten — auch bei Goldmann — aus dem Gegensatz gegen die im Schwange
befindliche Architectura militaris; er umfaßt also das gesamte nicht zur Kriegs-
pour 12 Lenons, mais point une Province, par la juste proportion geometrique. Ces gens
lä ne forment point d’Ingenieurs!“ erscheint doch zu boshaft pointiert, um gerecht zu sein.
(1) Fr. Blondel, Cours d’Architecture 2. ed. Paris 1698, I. S. 81. C. A. D’Aviler, Cours
d’Architecture Nouv. ed. Paris 1738, S. 70.
(2) Μ. Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik. II2, S. 688.
(3) Vgl. hierzu jetzt W. Thomae, die Schwellung der Säule (Entasis) bei den Ärchi-
tekturtheoretikern bis in das XVIII. Jahrhundert. Dresden 1915 (Heidelberger Diss.) S. 20 f.
(4) Ad Architecturam, quam imperatoriam Nympham officinae carcere hactenus manci-
patam indignor, in reliquo vitae stadio cursum dirigam, nisi N.umen aliter jusserit.

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