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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Semrau, Max: Zu Nikolaus Goldmanns Leben und Schriften, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0480

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Werke gegeben, können wir die von Gott offenbarten Verhältnisse des Tempel-
baus ersehen, die in der Baukunst fortleben. „Alles was Vitruvius gutes von
gegeneinander Messungen aufgezeichnet hinterlassen hat, dasselbige hat er auß
dem Bau des Tempels Salomonis oder dessen Nachkömmlinge, dem neuen
Tempel erlernet“ (S. 32). Goldmann findet nun in dem Grundriß des Tempels
das schöne und einfache Verhältnis von 1:2 durchgeführt, berechnet aus den Maß-
angaben bei Ezechiel und aus der Beschreibung der „ehernen Säule“ die Größe
der „heiligen Elle“, die dem unteren Säulenhalbmesser gleich ist, auf 16 Finger-
breiten und nimmt danach den Modul — 360 an. „Dann solche treffliche Zahl kein
heydnisches Erfinden gewesen, sondern auß dem göttlichen Willen geworden ist“
(S. 33). Auf dieser Grundlage unternimmt er es ernsthaft, die eherne Säule als das
nach der Anweisung Gottes geschaffene Urbild aller Säulenordnungen zu
rekonstruieren und gelangt zu einer der korinthischen ähnlichen Kapitellform,
nur mit Palmblättern statt des Akanthuslaubes (denn „die Vitruvianischen
zänckichten Beerenklau-Blätter reymen sich ja hier zur Sache gar nichts“ S. 35)
und mit einem Triglyphengebälk, an dessen Mutuli die überlieferten Granatäpfel
(1. Kön. 7, 15 ff.) als Tropfen aufgehängt sind (vgl. Sturm, Tafel 15). — Auf diesen
Grundlagen unternimmt Goldmann — in steter Auseinandersetzung mit seinem
Vorgänger Villalpando1) — eine vollständige Rekonstruktion des Salomonischen
Tempels, des Urbildes dieser „heiligen Baukunst“, und sein Herausgeber Sturm
sekundiert ihm (S. 42—46) mit dem aus seiner „Sciagraphia“ wiederholten Ver-
such, diese Wiederherstellung noch genauer an den Wortlaut der Lutheri-
schen Bibelübersetzung anzuschließen.
Goldmann hat selbst auf die Quelle seiner Anschauungen hingewiesen, und
jeder Vergleich seines Werkes mit dem des gelehrten spanischen Jesuiten zeigt,
daß er in der Tat — unbeschadet der selbständigen Ausgestaltung seiner Lehre
— wesentliche Grundzüge derselben von seinem Vorgänger übernommen hat.
Die Architektur als Wissenschaft ünd zugleich als Herrscherin über die
Künste, die Platonische Auffassung des Architekten als des Herrn der Werk-
leute2), das Eifern gegen ein Übermaß an Schmuck, wie es die Maler in die
Architektur zu bringen pflegen3 4), die Hochschätzung der Mathematik*), vor
allem aber die Grundanschauung von einer auf Offenbarung beruhenden „archi-
tectura sacra“5) — dies alles findet sich schon bei Villalpando. Auch die
Grundlinien der Goldmannschen Geschichtskonstruktion hat dieser bereits vor-
(1) Der Jesuit Johann Baptista V. (f 1608) darf nicht mit dem Architekten Francisco V.
(f 1561) verwechselt werden, was hier ausdrücklich bemerkt sei, da einem verbreiteten
Handbuch (K. O. Hartmann, die Baukunst in ihrer Entwicklung usw. Leipzig ign, Bd. III,
S. 137) in dieser Hinsicht ein böser Irrtum passiert ist.
(2) Villalpando II, 2, S. 41: Atque adeo (Plato) inter Imperatorias facultates Archi-
tecturam computare videtur, ac quemadmodum singula subditorum ministeria nota opus
est ut sint Imperatori, ut sciat, quid cuique praecipiendum sit: pari ratione ea omnia
nota esse Architecto necessarium est, quae operariis distribuere et quorum opera iudi-
care tenetur. Vgl. S. 46: sordidam vero manuum exercitationem nihil ad eum
spectare.
(3) a. a. O., S. 43: Nimius architecturae ornatus decorem adimit. S. 46: . . . architecti
atque pictoris longe esse diversa ingenia, studia, dignitates, longe alia consilia.
(4) a. a. O., S. 48: Mathematicus nec fallit nec decipitur.
(5) a. a. O., S. 70: non minus haec sacra ac paene diuina architectandi ratio reliquas
omnes antecellere putanda est, quam humanis soleant inuenta diuina praestare. Vgl.
S. 414!.: Dei sapientia in architectura maxime elucet.
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